Bei der Alterssimulation konnten die Mitarbeiter im Kursana Domizil Bremen erleben, wie bei eingeschränkter Motorik schon der Umgang mit Münzen zur Qual werden kann. ©Kursana

 
09.12.2019

Handicaps von Senioren selbst erleben

Bei einem hausinternen Schulungstag erfuhren die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Kursana Domizil Bremen, wie sich der Alltag mit vielfältigen Einschränkungen anfühlt.

Wie fühlt sich der Alltag für Seniorinnen und Senioren an, wenn sie nicht mehr richtig sehen, hören oder gehen können? Was macht es mit einem Menschen, wenn schon kleine Handgriffe wie das Öffnen einer Wasserflasche, das Umblättern einer Buchseite oder das Heraussuchen von Kleingeld zu einer großen Herausforderung werden? Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus sozialer Betreuung und Pflege im Kursana Domizil Bremen konnten im Rahmen eines Schulungstages mit Dozentin Sabine Mierelmeier selbst erleben, wie sich die Handicaps ihrer Bewohnerinnen und Bewohner auf Körper und Befinden auswirken können. Ziel der Fortbildung war es, sich besser in das Gegenüber hineinversetzen zu können.

Ergotherapeutin Maria Ladwig (40) wurde für die Übungen die Sicht durch eine mit Vaseline eingestrichene Sonnenbrille weitgehend genommen. Andere Kursteilnehmerinnen erlebten durch das Tragen einer Halskrause, Bandagen um die Gelenke oder dicker Handschuhe Einschränkungen bei ihrer Motorik und dem taktilen Empfinden. „“Es war sehr beeindruckend zu erleben, wie sich diese Handicaps auf unsere Wahrnehmung und unser Verhalten ausgewirkt haben“, erzählt Maria Ladwig. „Bei einigen führten sie zu Rückzug, die Lockerheit und Kommunikationsbereitschaft sank. Bei anderen von uns gab es genau die gegenteilige Reaktion: Sie wurden lauter und aktiver.“

Wie bei den beiden bereits absolvierten Schulungstagen zum Thema „Demenz“ regte die diplomierte Sozialarbeiterin Sabine Mierelmeier, die seit einigen Jahren an der Kursana-Akademie unterrichtet, auch beim Thema „Handicap“ erfolgreich zum Perspektivwechsel an. Mit jeder Übung wuchs bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern das Verständnis dafür, dass Rückzugstendenzen, gesteigerte Aktivität oder Aggressionen von Bewohnern mit ihrer eingeschränkten Wahrnehmung und der veränderten Reizverarbeitung zusammenhängen können. Alle Beteiligten empfanden den Brückenschlag in die Welt der Erkrankten als kostbar, um ihnen im herausfordernden Berufsalltag mit mehr Verständnis und Gelassenheit begegnen zu können.

„Durch solche Übungen prägt sich ein, dass man möglichst ruhig handeln und den Bewohnern immer erklären sollte, was man gerade tut“, zieht Maria Ladwig nach der Zeitreise in das Lebensgefühl eines Hochbetagten Bilanz. „Wir waren alle froh, als wir unsere Handicaps nach ein paar Stunden wieder ablegen durften. Zum Glück geht so ein Abbauprozess in Wirklichkeit meist schleichend über Jahre, so dass man vielleicht etwas besser in seine Einschränkungen hineinwachsen kann.“

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