Hans Hummel, gelernter Wagner, misst genau aus, wo die Bohrlöcher hingehören, damit der Holzengel später stabil auf dem Sockel steht. Achim Seitz unterstützt die Männer beim Arbeiten geduldig.

 
06.12.2018

Schaffen, schaffen, Engel bauen

Männerwerkstatt im Kursana Domizil Donzdorf

Mit leicht zittrigen Händen aber festem Griff hebt Hans Hummel den Engel und das Holzstück vom Tisch hoch. Er betrachtet die etwa 15 Zentimeter lange, dunkelbraune Leiste genau. Neben ihm steht Achim Seitz und lächelt ihm aufmunternd zu. „So Herr Hummel, Sie dürfen heute bohren.“ „Ja, ich habe halt keinen Messstab“, erwidert der 86-Jährige. „Aber ich habe alles da“, sagt Seitz und geht zu seiner Werkzeugschublade. Gemeinsam beginnen die beiden Männer mit ihrer Arbeit.

Seit einigen Jahren gibt es im Kursana Domizil Donzdorf die Männerwerkstatt. Jeden Donnerstag schafft Achim Seitz mit einigen Bewohnern an verschiedenen Projekten. „Wir machen ganz viel mit Holz“, erklärt der 52-Jährige, der in der Sozialen Betreuung arbeitet. Laubsägearbeiten und Brandmalereien gehören ebenso zum Repertoire wie Bohren, Schrauben und Streichen. Es entstehen Kerzenständer, Gestecke, Vogelhäuschen oder – so wie an diesem Tag – dekorative Holzengel.

Die Ergebnisse werden dann auf dem diesjährigen Weihnachtsmarkt, der von Samstag, 8. Dezember, bis Sonntag, 9. Dezember, in den Schlosshöfen in der Donzdorfer Innenstadt stattfindet, verkauft. Dass die Bewohner des Kursana Domizils in Donzdorf fleißig waren, zeigen die Tische, Schränke und Regale des Therapieraums im zweiten Stockwerk. Denn hier arbeiten die Teilnehmer der Männerwerkstatt und hier werden auch die fertigen Produkte gelagert.

Auf dem Boden vor den großen Fenstern stehen Gestecke aus Tannenzweigen und kleine Holzfiguren. Es riecht nach Weihnachten; nach Holz und Tannengrün. In der Mitte des Raums hat Seitz sechs Tische zu einer großen Tafel zusammengestellt. Die Werkbank der Männerwerkstatt. Durch die offene Tür kommt Hans  Schmid in seinem Rollstuhl hereingefahren. Zielstrebig rollt er an einen Platz am Kopf der Tafel, wo bereits dünne Sperrholzplatten in Form von Engelsflügeln, Herzen und Tannenbäumen liegen. Daneben steht ein kleiner Eimer mit dunkelbrauner Farbe; ein Pinsel liegt bereit.

Schnell zieht Seitz Schmid noch eine Schürze und Handschuhe über, dann legt der 75-Jährige auch schon los. Rein in die Farbe mit dem Pinsel und rauf auf das Holz mit der Farbe. Im Nu sind die Engelsflügel von beiden Seiten braun angemalt, aber  Hans  Schmid ist nicht zufrieden mit der Deckkraft. „Das Holz hat eine ungeschickte Maserung“, bemängelt er an Daniel, ergotherapeutischer Auszubildender gewandt. Er unterstütz Seitz bei der Männerwerkstatt und versichert Schmid, dass das vollkommen in Ordnung so ist. „Das macht gar nichts“, betont er. „Vom langen Fliegen ist ihm der Flügel matt geworden“, schließt Schmid mit einem kleinen Lachen – und streicht fleißig weiter.

In der hinteren Ecke des Raums machen sich derweil Seitz und Hummel an der Bohrmaschine zu schaffen. Sie fachsimpeln, wie sie am besten vorgehen sollen, um die Löcher in die Holzleisten zu bekommen. Später sollen diese mittels Leimes und Dübeln mit großen Holzengeln verbunden und als Sockel dienen.

„Können wir nicht einfach diesen Abstand ausmessen und bohren?“, fragt Seitz mit Blick auf das Holzstück. „Nein“, antwortet Hummel prompt und rigoros. So einfach geht das nicht. Der Bewohner hat einen ganz genauen Plan, wie die Arbeit ablaufen muss. Denn schließlich ist der gelernte Wagner vom Fach und Profi, wenn es um handwerkliche Tätigkeiten geht. Er misst aus, verlangt eine Schraubzwinge und verschiedene weitere Holzstücke zum unterlegen.

Seitz schwirrt durch den Raum, zieht Schublade um Schublade und Werkzeugkoffer um Werkzeugkoffer auf. Nichts entspricht Hummels Anforderungen. „Ich muss ein bisschen improvisieren“, erklärt Seitz und zieht eine kleine, wackelige Schraubzwinge hervor. Gemeinsam finden die Männer eine Möglichkeit, die Holzstücke zu befestigen. Nun hat Hummel eine Art Rahmen gebaut, in den er nun flink hintereinander alle Holzleisten einlegen und im exakt gleichen Abstand bohren kann. Geschickt. Hans Hummel ist eben ein Profi und weiß, wie gearbeitet werden muss.

„Mit Herrn Hummel habe ich natürlich das große Los gezogen“, sagt Seitz und lacht. Denn es ist nicht immer einfach für den Betreuer, Bewohner zu finden, die in der Werkstatt arbeiten wollen – oder können. „Je nach den Möglichkeiten muss ich eine Arbeit für jeden finden“, erklärt er. Hummel ist trotz seines Rollstuhls so fit, dass er bohren und schrauben kann. Andere Bewohner schaffen dies nicht. Doch für jeden, der mitmachen möchte, findet Seitz eine Arbeit. Auch einfache Schmirgelarbeiten oder das Anreichen von Werkzeug sind in der Männerwerkstatt gern gesehene Aufgaben.

Gemeinsam machen sich Seitz und Hummel nun noch daran, die Holzsockel an die Engelsfiguren zu leimen, damit diese pünktlich für den Weihnachtsmarkt fertig werden. „Hauptsache, es macht den Bewohnern Spaß“, betont Achim Seitz. Und das tut es. Die eineinhalb Stunden vergehen wie im Engelsflug.

 

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