Ein Kästchen voller Erinnerungen empfängt die Bewohner an ihrer Zimmertür. Foto: Kursana

 
09.11.2021

Erinnerungen hinter Glas

Erinnerungskästchen neben den Zimmertüren helfen den Bewohnern im Demenzbereich des Kursana Domizils Eschenburg, sich zu Hause zu fühlen und zurechtzufinden.

Wenn Helga Melches, 94, vor ihrem Zimmer steht, denkt sie oft an früher zurück. Der Spaten im Gras sieht aus, als hätte sie ihn gerade dort abgelegt und an der Wand scheinen Nudelholz und Fleischklopfer schon auf den nächsten Einsatz zu warten. In einem tiefen Bilderrahmen erzählen kleine Miniaturutensilien aus ihrem Leben, geben Auskunft über ihre Vorlieben und wecken Erinnerungen. Gerne hat sie im Garten gearbeitet, tagtäglich für ihre Familie gekocht. Auch ein Portraitfoto gibt es darin, neugierig lacht sie in die Kamera.

Die Betreuungsmitarbeiterin Tanja Brill, 49, hat solche Erinnerungskästchen für alle 15 Bewohner der Demenzwohngruppe gebastelt. Sie geben den Zimmereingängen ein Gesicht und machen den Pflegeheimflur behaglich. „Oh Katzen, ich liebe Katzen! Woher wusstest du das?“ fragt eine Bewohnerin erstaunt. Eine andere: „Wandern, das habe ich gerne gemacht. Wer hat dir das verraten?“ Es sind die Senioren selbst, die beim Anblick vertrauter Dinge ins Erzählen kommen. Die Gegenstände und Bilder wecken Assoziationen und Emotionen und schlagen eine Brücke in die Vergangenheit. Dies macht man sich auch sonst in der Biographiearbeit bei Menschen mit Demenz zunutze.

Tanja Brill hat neben den Bewohnern auch die Angehörigen befragt, um über jeden etwas herauszufinden. Womit hat sich die Person früher gerne beschäftig, was waren die Hobbys und der Beruf? Dann hat sie Requisiten gesammelt, die im Leben eine Rolle gespielt haben. Bis zu drei Wochen hat es manchmal gedauert, bis sie, angefangen von der Idee, alles „im Kasten“ hatte. Zum Teil hat sie Bastel- oder Dekoartikel im Internet besorgt und dann in liebevoller Kleinarbeit angeordnet und mit einer Heißklebepistole fixiert. Aus Weinkorken und Schaschlik-Spießen wurden Zug und Schienen für einen Modelleisenbahn-Liebhaber. Den Bilderrahmen eines HSV-Fans bestückte sie mit Wimpeln und Fußball-Accessoires, während bei manchen Frauen die Themen Kochen und Handarbeit dominieren.

Die kreativen Kästchen neben der Tür dienen nicht nur dazu, Erinnerungen zu wecken und zum Erzählen anzuregen. Sie helfen auch dabei, das eigene Zimmer zu finden. Die Idee dazu hatte der Direktor der Einrichtung, Alexander Sgodda. Eine schöne Idee, findet Tanja Brill und will auch in Zukunft für jeden neuen Bewohner ein persönliches Exemplar gestalten. Einen kleinen Fundus an künftigen Erinnerungsstücken hat sie sich dafür schon angelegt.

 

Foto: Kursana

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