Die Frankfurter Kunsttherapeutin und Psychologische Beraterin Ulla Holderith lädt die Senioren zu einer künstlerischen Phantasiereise ein.

 
03.07.2019

Auf der Reise zu sich selbst

Oberursel. Bei einer Reise entstehen oft bunte Bilder. Meist werden die Fotos mit der Kamera gemacht. Sie können sich aber auch mit Aquarellfarben auf Papier entwickeln. Senioren der Kursana Villa Oberursel verlassen die Gegenwart und begeben sich in einem Mal- und Kunsttherapiekurs auf eine Zeitreise – meist in die Vergangenheit, manchmal auch in die Zukunft. Die Bilder aus der Phantasie basieren auf dem Blick nach vorn, oder sie kommen aus dem Gedächtnis und sind längst vergangene Erlebnisse. Erinnerungen haben die Älteren in der Senioren-Einrichtung am Epinayplatz ganz viele. Daraus entstehen immer wieder einzigartige Bilder.

Seit Anfang des Jahres arbeitet die Frankfurter Kunsttherapeutin und Psychologische Beraterin Ulla Holderith in der Kursana Villa mit der älteren Generation zusammen. Das Malen wirke auf die Senioren harmonisierend und entspannend, so ihre Erfahrung. Viele aus dem knapp zehnköpfigen Kreis der Teilnehmenden entdecken sich neu, sind überrascht, wie sie ein Thema mit all den individuellen Erinnerungen daran auf Papier farblich und gestalterisch umsetzen. 
„Wer malt, begibt sich auch immer auf eine Reise zu sich selbst“, sagt Ulla Holderith. Sie sei erstaunt, was mit den Menschen passiere. Die Senioren erleben einen interessanten Prozess, wenn sich die weiße Leinwand durch das Auftragen der Aquarellfarben in ein buntes Bild verwandelt. Sie finden dabei besser zu ihrem inneren Gleichgewicht und entdecken neue Ressourcen.
Was wird gemalt? Woher kommen die Motive? Ulla Holderith hält nichts vom Abmalen eines vorhandenen Bildes. Sie gibt ein Thema vor, selbstverständlich ohne konkret zu sagen, wie es mit dem Pinsel oder auch mit Ölkreide umgesetzt werden soll. Es ist mehr ein Signal. Manchmal liest sie ein Gedicht vor, beispielsweise zum Thema „Mein Garten“ oder die Gruppe singt ein Lied, auch hat die Kunsttherapeutin schon einmal einen hellen Glockenschlag erklingen lassen und damit inspiriert. Über diese visuellen und akustischen Impulse werden Erinnerungen geweckt und Gedanken in Gang gebracht, die die feinmotorischen Bewegungen und die Auswahl der Farben beeinflussen. 
Die Kunsttherapie weckt Lebensfreude, macht lebendig und gibt Orientierung. Davon profitieren auch Menschen, die an Demenz erkrankt sind und für die die Kursana Villa demnächst einen weiteren Malkurs mit Ulla Holderith anbietet. Außerdem gibt es für Demenzerkrankte und andere Senioren Einzel-Kunsttherapiestunden, um individueller auf Depressionen oder Befindlichkeiten eingehen zu können.
Das Malen fördert bei von Demenz Betroffenen die Konzentration. Eine Bereicherung für alle Senioren ist außerdem der soziale Austausch. Auch wenn manche stark in ihr Werk vertieft sind, das Reden ist in der Runde ausdrücklich erlaubt. „Man schaut mal nach rechts oder links, was der Nachbar macht und spricht darüber“, sagt die Kursleiterin, die Kunst, Geschichte, Politische Wissenschaft und anthroposophische Pädagogik studiert hat.
Wenn andere sich für ein Bild interessieren oder es loben, stärkt das auch das Selbstwertgefühl. Außerdem wird beim Malen die Feinmotorik trainiert und beim Aufdrücken der Ölkreide etwa die Muskulatur beansprucht. Ohne Kunsttherapie bauen ältere Menschen früher ab. Die Erfahrungen haben gezeigt, dass selbst an Demenz Erkrankte Wege aus Ihrem vermeintlichen Kokon finden und sich über das Malen öffnen. 
Letztendlich kann das kreative Schaffen persönliche Eigenschaften widerspiegeln und die Identität des Einzelnen stärker sichtbar werden lassen. Deutlich erkennbar ist auch die soziale Komponente. Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer bleiben am Ende sitzen, plaudern, finden neue Freunde und verabreden sich zum Kaffeetrinken“, sagt Ulla Holderith.
 

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