Jörg Brunswick (l.) und Manfred Will haben durch Kursleiterin Manuela Rohde neue Impulse für den Umgang mit ihren demenziell erkrankten Elternteilen bekommen. ©Kursana

 
19.07.2019

„Erwartungshaltung loslassen lernen“

Durch die Kursreihe „Begleitung im Andersland“ in der Kursana Residenz Wedel haben Angehörige einen neuen Zugang zu ihren demenziell erkrankten Familienmitgliedern gefunden.

Es war ein bewegender Moment, als Kursleiterin Manuela Rohde den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der kostenlosen Fortbildungsreihe „Begleitung im Andersland“ in der Kursana Residenz Wedel das Abschlusszertifikat und eine Rose überreichte: Sieben Wochen lang hatten sich die acht Angehörigen von demenziell erkrankten Familienmitgliedern im geschützten Rahmen der Gruppe über das Krankheitsbild informieren und über die eigenen Erfahrungen austauschen können. Sie bekamen viele Anregungen, um an einem neuen Umgang mit den Erkrankten zu arbeiten. „Wir haben mit großer Offenheit miteinander gesprochen und gemeinsam lachen und weinen können“, sagt die Referentin von „Wörheide Konzepte“, die selbst eine demenziell erkrankte Mutter hat. „Besonders war für mich, dass die Gruppe erstmals zur Hälfte von Männern besucht wurde.“

Manfred Will, dessen Vater in einem Appartement der Senioreneinrichtung lebt und dort den Tagesclub für demenziell erkrankte Bewohner besucht, war von seinen beiden Schwestern auf die Kursreihe hingewiesen worden. „Solange mein Vater noch zuhause gewohnt hat, habe ich ihn bei den Arbeiten in Haus und Garten unterstützt“, erzählt er. „Das Fortschreiten seiner Krankheit habe ich verdrängt, und es hat mich erschrocken, als er mich zum ersten Mal nicht erkannt hat. Danach wurden die Abstände zwischen meinen Besuchen in der Residenz immer größer.“ Im Gegensatz zur Internetrecherche zum Thema „Demenz“ allein am Computer habe ihn das Thema in der Gruppe erreichen können, sagt er. „Hier war Raum für Gefühle. Mir war wichtig zu erfahren, welche Erfahrungen die anderen gemacht haben und wie sie die Situationen bewältigen können.“

Da alle demenziell erkrankten Familienmitglieder bereits in einer Senioreneinrichtung leben, konnten die Unterrichtsmodule Pflegeversicherung, Entlastungsangebote und rechtliche Aspekte kurz abgehandelt werden. Der Schwerpunkt des Kurses lag praxisnah auf den Themen Stadien der Erkrankung, Kommunikation und Konfliktbewältigung. „Das Wichtigste und zugleich Schwierigste ist es zu lernen, die Erwartungshaltung an den Erkrankten loszulassen“, sagt Manuela Rohde. „Ich kann nicht mehr erwarten, dass meine Mutter oder mein Vater die alte Rolle übernimmt, sondern muss lernen, dem Menschen jenseits der alten Muster neu zu begegnen. Etwa als Kumpel. Wenn dieser Schritt gelingt, ist der Weg frei für schöne gemeinsame Stunden.“

Konkret rät Manuela Rohde dazu, destruktive Diskussionen zu vermeiden, den Erkrankten positiv zu bestärken und solange es geht, auf gute gemeinsame Erlebnisse zu setzen und neue Rituale zu schaffen. Dass bei den Treffen Qualität vor Quantität gehen sollte, empfindet Kursteilnehmer Jörg Brunswick, dessen Mutter im stationären Pflegebereich der Residenz lebt, als große Entlastung. „Ich habe meine Mutter bisher jedes Mal, wenn ich meine Tochter zum Schwimmen gefahren habe, kurz besucht. Sie war jedes Mal enttäuscht, wenn ich wieder gegangen bin. Als Einzelkind bin ich nun mal die wichtigste Bezugsperson für meine Mutter“, sagt der dreifache Vater. Wenn er die Wohnung seiner Mutter aufgelöst habe, wolle er den Kontakt zu ihr entspannter gestalten. „Dann möchte ich mir die Zeit nehmen, um mit ihr kleine Ausflüge im Rollstuhl zu unternehmen.“

Auch Manfred Will hat schon eine Idee, wie er die Qualitätszeit mit seinem Vater künftig gestalten möchte. „Nach dem Ende des Kurses habe ich Mittwochabends wieder frei. Ich möchte den Termin nutzen, um meinen Vater regelmäßig zu besuchen“, sagt er. „Er war zeitlebens ein großer Bastler. Vielleicht können wir wie in meiner Kindheit als Kumpel gemeinsam eine Modelleisenbahn aufbauen. Das waren früher für uns beide die glücklichsten Stunden.“

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