Im Kursana Domizil sind in der Backrunde mit Joachim Lux (stehend) auch einige Männer dabei.
Otzberg. Bei allem Vergnügen, das man mit dem Backen verbinden kann, war die Zubereitung der Torten und Kuchen früher für Hausfrauen auch mit Arbeit verbunden. Heute ist das Backen für die Damen in der geselligen Runde im Kursana Domizil reines Vergnügen. Sie können sich mit ihren gelungenen Rezepten und ihrer Erfahrung einbringen und den Herren dank ihres großen Erfahrungsschatzes erläutern, wie die Arbeitsschritte im Einzelnen aussehen. Unter der Federführung des ehrenamtlichen Mitarbeiters Joachim Lux, dessen Schwiegermutter im Kursana Domizil zuhause ist, treffen sich die Senioren regelmäßig in der Backrunde, um süßere Leckereien herzustellen, die sie dann am Nachmittag gemeinsam mit anderen bei Kaffee und Tee genießen.
Wenn das Backen keine alltägliche Pflicht mehr ist, sondern zu einer leckeren Kür mutiert, entwickelt sich das Zubereiten des Teigs, des Tortenbodens, das Rühren der Masse, das Platzieren der Mandarinen, Erdbeeren oder Kirschen für manche zu einem kontemplativen Moment. Noch dazu, wenn Musik erklingt, die schöne Erinnerungen weckt. In der Backrunde wird gern gesungen, wenn der Zitronen- oder Rotweinkuchen entsteht. Marina Arnold vom Team der Sozialen Betreuung ist dabei tonangebend. Der harmonische Impuls kam von Backfan Joachim Lux selbst. Er singt unter anderem im Chor der ESOC, dem Operationszentrum der Europäischen Weltraumorganisation ESA in Darmstadt.
Und so wird beim Rühren, Kneten und Schneiden über Gott und die Welt geredet und in diesen Tagen so manche österliche Geschichte erzählt. Früher sei es festlicher gewesen, heute bestimme der Kommerz die christlichen Feiertage, so die Meinung der Senioren. Sie singen beim Backen gern das beliebte Volkslied „Die Gedanken sind frei“. Eine ergreifende Melodie, die unter die Haut geht und von historischer Bedeutung ist: Im September 1948 wurde das Lied auf dem Höhepunkt der Berlin-Blockade nach einer Rede von Berlins Oberbürgermeister Ernst Reuter von rund 300.000 Berlinern vor der Ruine des Reichstagsgebäudes gesungen. Und auch Sophie Scholl spielte das Lied 1942 auf der Blockflöte vor der Gefängnismauer hinter der ihr Vater wegen hitlerkritischer Äußerungen inhaftiert war. So mischt sich mit der Melancholie des Liedes unter die Zutaten beim Backen auch etwas Sehnsucht nach Freiheit für Menschen, die unterdrückt werden und der Wunsch, dass die Welt besser werden möge.