Ein Training, um die Sinne zu schulen: Praktikantin Rabab Showeikh (19) und Bewohnerin Lieselotte Dansauer (86) ertasten gemeinsam den Inhalt eines Körnerkissens. ©Kursana

 
05.04.2017

„Wir haben leider viele falsche Vorstellungen“

Rabab Showeikh (19) ist die erste muslimische Praktikantin im Kursana Domizil Bremen. Von der Begegnung können beide Seiten profitieren.

„Bist du Türkin?“, „Warum sprichst du so gut deutsch?“, „Warum trägst du ein Kopftuch?“ Das sind Fragen, die Rabab Showeikh (19) im Kursana Domizil Bremen schon häufig gestellt wurden. Von manchen Bewohnern hört die junge Muslima diese Fragen sogar immer wieder aufs Neue, denn sie ist als Praktikantin der sozialen Betreuung vorwiegend im beschützten Wohnbereich für demenziell Erkrankte im Einsatz. „Dabei begegnen mir die Bewohner total positiv. Die Demenzkranken vergessen nur immer wieder, wer ich bin“, sagt Rabab Showeikh, deren Familie ursprünglich aus dem Libanon stammt. Sie habe kein Problem damit, immer wieder geduldig Antworten zu geben, sagt die Schülerin, die in Deutschland geboren und aufgewachsen ist. „Als ich hier anfing, da hatte ich auch überhaupt keine Ahnung von alten Menschen und dem Thema Demenz. Ich finde es schön, dass wir hier so viel voneinander lernen können.“
Nach dem erweiterten Realschluss entschied sich Rabab Showeikh, die Fachoberschule für Gesundheit und Soziales am Schulzentrum Blumenthal zu besuchen. Derzeit ist sie im 11. Schuljahr, in dem die Schüler an drei Tagen in der Woche ein Praktikum in einer sozialen Einrichtung absolvieren. „Eigentlich wollte ich in ein Krankenhaus, weil ich später eher mit jüngeren Menschen arbeiten möchte. Jetzt weiß ich, ich hätte es nicht besser als hier im Domizil antreffen können“, sagt sie. In den ersten drei Monaten, die sie in der Verwaltung hospitiert hat, habe sie gelernt, sich bei der Arbeit am Computer besser zu konzentrieren und ihre Aufgaben ordentlich und gut organisiert abzuarbeiten, erzählt Rabab Showeikh.
Vor dem Wechsel in die soziale Betreuung der demenziell erkrankten Bewohner habe sie anfangs etwas Angst gehabt, gibt sie zu. „Aber dann habe ich gemerkt, dass ich als total emotionaler Mensch hier genau richtig bin.“ Die junge Muslima geht mit den Bewohnern spazieren, begleitet sie zum Arzt,  spielt mit ihnen Spiele oder regt mit speziellen Übungen die Sinne an. „Ich habe gelernt, dass hinter jeder Tätigkeit der Sinn steckt, die verbliebenen Fähigkeiten der Bewohner zu trainieren“, sagt Rabab Showeikh. Auch in der Pflege darf sie unterstützend tätig sein, den Senioren beim Essen oder Anziehen helfen und gelegentlich männlichen Bewohnern beim Rasieren zur Hand gehen.
„Meine Religion war bei der Arbeit nie ein Thema“, sagt Rabab Showeikh. „Wenn man in der Pflege die Aufgabe übernimmt, anderen Menschen zu helfen, muss man ihr auch nachkommen. Meine Eltern haben mich zum Glück liberal erzogen und nie zu etwas gezwungen. So war es auch meine eigene Entscheidung, ein Kopftuch zu tragen, weil ich mich damit wohl fühle.“
Dass während des Praktikums auf beiden Seiten das Verständnis für die Kultur des anderen gewachsen sei, findet Rabab Showeikh richtig gut. Sie breche heute auch für alte Menschen eine Lanze, wenn Gleichaltrige Sprüche klopfen, erzählt sie lachend. „Wenn sie sagen, alte Menschen seien voll langweilig, dann erzähle ich von meiner Arbeit hier. Wir haben leider viele falsche Vorstellungen.“    

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