Der Anzug simuliert das Alter: Da fällt das Gehen schwer.

 
02.07.2015

Mehr Verständnis für Senioren

In der Kursana Villa konnten die Besucher in einen Alterssimulationsanzug schlüpfen und nachempfinden, was es heißt, mit Einschränkungen zu leben Frankfurt. Jeder Schritt kostet viel Kraft. Der Weg nach oben über die Treppenstufen ist mühsam. Die Bewegung verläuft wie in Zeitlupe – alles ist langsamer und beschwerlich. „Ich fühle mich unsicher und brauche viel Energie beim Gehen“, sagt der junge Proband, der sich am Samstagnachmittag in der Kursana Villa Frankfurt als Erster in den Alterssimulationsanzug gezwängt hat. Um die Situation älterer Menschen, die gehbehindert sind, schlecht hören und sehen und deren Gelenke nicht mehr so beweglich sind, nachzustellen, ist der 26-Jährige in den roten Overall geschlüpft. An den Füßen und Armen kleben Gewichte, um die Motorik einzuschränken, die Knie und Armgelenke haben Bandagen, um das Beugen und Strecken zu erschweren, Kopfhörer und eine Brille, die die Sicht unscharf und am Rand dunkel macht, behindern die Testperson zusätzlich.

Die Senioren-Pflegeeinrichtung in der Eschersheimer Landstraße 125 vermittelte mit dem Simulationstag besondere Erlebnisse und Erfahrungen. Wer den Handicap-Dress anzieht, verkleinert schon auf den ersten Metern durch die Kursana-Villa automatisch die Schritte und vergrößert damit seine Empathie. „Es geht ums Verstehen und Nachempfinden“, sagt Michael Reeder, Direktor der Einrichtung, die knapp 100 Senioren im stilvollen Ambiente der Gründerzeit ein sicheres und komfortables Zuhause bietet. „Wer einmal selbst erlebt hat, wie sich solche Einschränkungen in der Motorik anfühlen, hat mehr Verständnis für die ältere Generation“, meint Reeder.

„Das ist kein schönes Gefühl“, so der junge Tester. „War aber auf jeden Fall interessant. Ich habe jetzt mehr Verständnis für Senioren, die gehandicapt sind, sagt Florian Füll. Der Flugbegleiter zieht erleichtert die Brille ab. Sich in die Alltagssituation von schwachen und behinderten Menschen versetzen, das konnten die Besucher des Alterssimulationstages in der Kursana Villa auch an einer anderen Station: beim Hebelift. Andreas Hüttemann, Pflegefachkraft, demonstrierte mit dem Lift, wie man einem Bewohner mit Hilfe des fahrbaren Liftes aus dem Bett hilft oder ihm den Weg in die Badewanne erleichtert. 

Hannelore Lehmann, die vor drei Jahren in die Kursana Villa kam und ziemlich fit auf den Beinen ist, wollte den Lift sofort kennenlernen und ließ sich gleich von Andreas Hüttemann ins und aus dem Bett hieven. Dieser für die Betroffenen äußerst schonende Transfer in den Rollstuhl sorge für mehr Mobilität und helfe vor allem Senioren, die an der Hüfte oder dem Knie operiert worden seien, sagt der Pflegefachmann. Hannelore Lehmann steigt derweil aus dem Sitz aus und ist erleichtert, dass sie dieses Hilfsgerät nicht benötig. 

Um das Verständnis für die Lebenssituation der älteren Generation zu wecken, informierten die Fachleute der Kursana Villa die Gäste des Simulationstages auch darüber, welche Rolle die Biografie der Bewohner der Komfort-Pflegeeinrichtung spielt und welche Wünsche die Senioren haben. Ihre Interessen und wichtige Momente in ihrer Vita können die Älteren in einem Fragebogen beschreiben. Dabei dürfen sie alle die für die Sozialarbeit und Betreuung wichtigen Aspekte ihres Lebens beleuchten. Stichworte sind beispielsweise Kinderspiele und Streiche, beliebte Musikinstrumente, Erinnerungen an schöne Reisen, Kriegserlebnisse, an die eigene Erziehung, an die Liebe, Vereinsmitgliedschaften, Hobbys und vieles mehr. 

Um die Angebote in der Villa besser auf die Bewohner abzustimmen, können die Senioren außerdem viele Kreuze hinter rund 50 Fragen zu gewünschten Aktivitäten machen, an denen sie gern teilnehmen möchten. Beliebt sind etwa die Literaturgruppe, das Film-Café, Sturzprophylaxe, Gymnastik und Konzerte. Florian Füll, der auf den Simulationsanzug neugierig war, sagt, er habe sich natürlich bisher noch nicht mit der Frage beschäftigt, wie und wo er im Alter wohnen wolle. Nach seinem ersten Besuch in der Kursana Villa und den Informationen über die vielfältigen Angebote und die Möglichkeiten, hier jemanden in der Gemeinschaft kennenzulernen, „sehe ich so eine Pflegeeinrichtung jetzt aber mit ganz anderen Augen.“ 

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