Gemeinsam wird eine Stunde gesungen, erzählt und in Erinnerungen gekramt. Foto: Schariott

 
13.11.2015

Ein Mann lädt zum Kaffeeklatsch

Torsten Klepzig trifft sich einmal monatlich mit Bewohnerinnen des Domizils.

Merseburg. Einmal im Monat lädt ein Mann zum Kaffeeklatsch ein, zum Kaffeeklatsch im Altersheim! So ungewöhnlich das klingt, so wahr ist es. Torsten Klepzig, 48, verbringt mit zehn Damen vom Kursana Domizil Merseburg regelmäßig eine angeregte Plauderstunde.

Angefangen hatte es im Jahr 2012, als seine an Demenz erkrankte Mutter im Heim wohnte und er mit ihr kleine Ausflüge unternahm und noch ein bisschen mehr Abwechslung in ihr Leben brachte. Da kam ihm die Idee, dass daran doch auch noch andere Bewohner teilnehmen und ihre Freude haben könnten. Und so kam es: Eine Fahrt mit der Pioniereisenbahn in Halle oder eine Dampferfahrt auf der Saale machten den Beteiligten ebensolche Freude wie eine Gesprächsrunde in lockerer Atmosphäre. Und als dann Torsten Klepzigs Mutter 2014 verstarb, beschloss der Sachbearbeiter einer Logistikfirma,  die Runde weiter zu führen. Längst waren ihm die freudigen Gesichter, das Lachen und manchmal auch die Tränen, die fast familiäre Stimmung unter den Damen lieb geworden. Er spürte Freude und Dankbarkeit der Beteiligten, und das sollte so bleiben. Die Leitung des Kursana Domizil begrüßte den Entschluss und unterstützt ihn nach Kräften.

Nun geht Torsten Klepzig nicht einfach mal nur so zum Quatschen hin. Dazu brauchte man ihn nicht, denn beim nachmittäglichen Kaffeetrinken sitzen die Senioren ja eh zusammen und reden.

Für seine „Stunde“ bereitet er sich  vor, damit gleich Gesprächsstoff  vorhanden ist. Doch zunächst stiehlt ihm ein anderer, ein Bologneser,  die Schau. Der kleine weiße Hund namens Gino streicht zutraulich um die Stühle und jede Seniorin darf ihm ein Leckerli geben, so das Ritual. Das Eis ist gebrochen und die Frauen wenden sich dem Gastgeber zu. Diesmal trägt er einige Gedichte vor und spielt ihnen „Musik von früher“ vor. „Wenn bei Capri die rote Sonne im Meer versinkt…“, verführt zum andächtigen Lauschen – und dann öffnen sich die Lippen wie von selbst zum Mitsingen. Erinnerungen kommen, ein Lächeln huscht über manches Gesicht.

Da kann man gut über alte Zeiten, die Kinder, den Partner plaudern oder auch ein paar Volkslieder, vom Laptop begleitet, mitsingen oder –summen, wenn der Text nicht parat ist. Viel zu schnell vergeht die Zeit vom Kaffeeklatsch mit dem charmanten Plauderer, der zuhören, scherzen, trösten und mit ihnen lachen kann.  Hündchen Gino macht noch eine  Abschieds-Leckerli-Runde. „Schade, das war so schön!“ Frau Weiß sagt, was alle denken. Mit diesem Eindruck verabschieden sich die Frauen – bis zum nächsten Kaffeeklatsch!

Für Torsten Klepzig ist diese ehrenamtliche Arbeit zu einer Selbstverständlichkeit geworden, die er nicht mehr missen möchte. Natürlich bekommt er anerkennende Worte dafür zu hören. Aber auch Unverständnis  im Kreis von Bekannten ist nichts Besonderes: Als Mann zum Kaffeeklatsch ins Altersheim? Hast du nichts Besseres zu tun?

Nein – hat er nicht, zumindest  einmal im Monat.

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