Bewohner Hermann Strömer (72) aus dem Kursana Domizil Aurich erzählt BBS-Schülerin Daria Schneider (16) im Gespräch über seine Biografie von seinem Hobby, der Fotografie. ©Kursana

 
20.02.2019

Was möchte ich der Nachwelt hinterlassen?

BBS-Schüler erarbeiteten gemeinsam mit Bewohnern aus dem Kursana Domizil Aurich einen Leitfaden für die eigene Trauerrede.

Am Anfang war den 16- bis 18-jährigen Schülern der BBS 1 Berufsfachschule „Hauswirtschaft und Pflege - Schwerpunkt Persönliche Assistenz“ beim neuen Projekt im Kursana Domizil Aurich etwas mulmig zumute: Wie würden die Bewohner reagieren, wenn Jung und Alt anhand eines Fragebogens biografische Daten für die eigene Trauerrede sammeln? Welche Gefühle kann es auslösen, wenn man mit älteren Menschen eine Lebensbilanz zieht und damit auch die Endlichkeit des Lebens thematisiert?

„Wir waren sehr überrascht, wie schnell die Schüler und unsere Senioren in Kleingruppen in intensive Gespräche verwickelt waren“, sagt Heike Ravenschlag, Leiterin der sozialen Betreuung, die das Projekt zusammen mit Bestatter Andree Emkes und Trauerredner Stefan Thiemke angestoßen hat. „Dabei war die Stimmung angesichts des hoch emotionalen Themas erstaunlich locker. Wir waren alle davon begeistert, wie respektvoll die Schüler mit den Bewohnern umgegangen sind und wie viele biografische Daten sie in einer Stunde zusammentragen konnten.“

Seit vergangenem Jahr stellen Andree Emkes und Stefan Thiemke über die Internetseite „www.meinetrauerrede.de“ im Rahmen der Bestattungsvorsorge einen Fragenkatalog zur Verfügung, mit dem Interessierte zu Lebzeiten die eigene Trauerrede gestalten können. „Wir haben oft erlebt, wie Angehörige im Trauergespräch überfordert waren und die persönlichen Daten ihres Verstorbenen gar nicht mehr zusammenbringen konnten“,  erzählt Stefan Thiemke. In dem Dokument können Interessierte die Eckdaten ihres Lebenslaufes aufschreiben und Auskunft über Hobbys, prägende Erlebnisse und besonders schöne oder schwere Lebensphasen geben. Die Rubrik „Was ich noch zu sagen hätte“ lädt dazu ein, ganz persönliche Worte an die Nachwelt zu hinterlassen.

Das ausgefüllte Dokument kann später für die Angehörigen, die sich um Beerdigung kümmern, hilfreich sein. Es gibt aber auch dem Menschen, der es ausfüllt, die Chance, sein Leben Revue passieren zu lassen.  „So kann man seinen Frieden machen mit allem, was nicht optimal gelaufen ist“, meint Stefan Thiemke, der viele Jahre in der palliativen Pflege gearbeitet hat. „Ich habe oft erlebt, dass Menschen ruhiger sterben konnten, wenn sie vorher ihr Leben geordnet hatten.“

Andree Emkes und Stefan Thiemke sind vor dem Start des Projektes in die Berufsfachschule gegangen, um die Schüler aus dem Bereich Hauswirtschaft-Pflege mit Schwerpunkt „Persönliche Assistenz“ vorzubereiten und ihre Fragen zu beantworten. Und sie waren im Domizil bei den Gesprächen vor Ort, um bei Bedarf zu unterstützen.

„Ich fand es sehr befreiend, dass wir uns in diesem Rahmen mit dem eigenen Lebensende beschäftigen konnten“, sagt Bewohner Hermann Strömer (72), der die eigene Beerdigung schon vor zehn Jahren persönlich geregelt hat. „Normalerweise ist das Thema ja tabu, aber die jungen Leute haben es toll gemacht und schnell das Eis gebrochen.“

Für die Schüler waren die Treffen nicht nur eine wichtige Übung in Biografiearbeit. Sie konnten auch erleben, wie sie in einer emotional schwierigen Situation über sich hinausgewachsen sind. Heike Ravenschlag und Stefan Thiemke sind sich sicher, dass das Projekt Jung und Alt wichtige Impulse gegeben hat. „Zwei Schüler haben mir danach gesagt, dass sie den Fragenkatalog mit erkrankten Elternteilen oder den Großeltern bearbeiten wollen“, freut sich Stefan Thiemke. „Die Themen Tod und Trauer haben für sie durch das Projekt ihren Schrecken verloren.“

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