Keine Schlafpause auf grüner Wiese, sondern eine Demonstration, wie man sich in Stressmomenten selbst „runterfahren“ kann. Foto: Springborn-Aschoff

 
21.06.2016

Zähneputzen kontra Stress

Halbjähriges Seminar soll zeigen, wie man dem Stress besser begegnen kann.

Bad Lauterberg. Helga Radtke kennt diese Situation seit Jahren. „Du möchtest am liebsten drei Sachen auf einmal erledigen. Du hilfst einer Bewohnerin bei der Morgentoilette, denkst aber schon dran, ja nicht den Bewohner im Nebenzimmer zu vergessen, der seine Tabletten braucht. Und wenn dann noch das Handy klingelt, weil irgendwo jemand Unterstützung benötigt, dann möchtest du dich am besten zerteilen.“ Stress pur für die Fachpflegerin und ihre Kolleginnen und Kollegen.

„Ja, der Pflegeberuf ist ohne Frage stressig“, Renate Springborn-Aschoff, Direktorin im Haus Lukas, macht da gar kein Hehl draus. „Da jagt eine Aufgabe die andere, obwohl man sich manchmal noch mehr Zeit wünschen würde für die Betreuung und den Umgang mit unseren Bewohnern. Zumal man ja dann auch auf die individuellen Bedürfnisse eingehen und Zeit für ein kleines Schwätzchen haben möchte, aber das ist einfach nicht immer möglich.“ Stress rund um die Uhr. „Genau das aber muss nicht sein“, sagt Andrea Nielbock, Stressmanagement-Trainerin aus Osterode. Und sie sagt es nicht nur, sondern sie will den Pflegekräften helfen, eben diesen Dauerstress abzubauen. Ein halbes Jahr lang führt sie im Kursana Domizil Bad Lauterberg ein Seminar mit zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Einmal monatlich trifft man sich in der Runde, um in zweieinhalb Stunden theoretisch und praktisch dem Stress zu Leibe zu rücken. Initiiert hat das Ganze die Direktorin, die auch die Dienstpläne entsprechend abstimmt, um allen die Möglichkeit zur Teilnahme zu geben. „Weniger Stress hilft letztlich allen.“

Aber wie, das ist die Frage? Andrea Nielbock hat da einen scheinbar ganz einfachen Ansatzpunkt. „Mein Schlüssel für den Alltag heißt Achtsamkeit. Mit seiner ganzen Aufmerksamkeit bei dem sein, was man gerade tut. Dieses ständige ‚Was-mache-ich-als-nächstes?’ muss raus aus den Köpfen!“ Die Trainerin hat dafür auch ein ganz einfaches Beispiel parat: „Beim allmorgendlichen Zähneputzen vor dem häuslichen Spiegel nur das Putzen im Kopf haben, nicht das Frühstück, nicht die Kinder, die gleich in die Schule müssen, nicht den Wochenendeinkauf. Einzig und allein nur das Zäheputzen. Das kann man lernen!“

Entsprechend sind dann auch die monatlichen Seminare aufgebaut. Es gibt praktische Übungen in der Runde, beispielsweise Atemübungen. Es gibt viele Gespräche, um den Stressabbau auch theoretisch in die Köpfe der Teilnehmer zu bringen. Es gibt auch Hausaufgaben mit auf den Weg. Beispielsweise eben auch mal richtig durchzuatmen, wenn man gerade das Gefühl hat, drei Dinge auf einmal machen zu müssen. Hört sich einfach an, bringt aber Erfolg, wie  Helga Radtke mit Überzeugung sagt. „Wenn es mal ganz dick kommt, setze ich mich kurz hin und atme ein paar Mal tief durch. Unglaublich, das funktioniert.“ Eine Atempause, wegen der sie übrigens mit der Direktorin keinen Ärger bekommen. Ganz im Gegenteil. „Von diesem Seminar zu Stressabbau profitieren alle Seiten, unsere Pflegekräfte, unser Unternehmen und vor allem unsere Bewohner. Genau das wollten wir auch erreichen.“

Zur Übersicht