Sie musizieren beim Trommeln auf Augenhöhe: Anja Luther und die Bewohner vom Kursana Domizil Bad Muskau. Foto: Kerstin Dölitzsch

 
21.01.2020

Die Trommel-Flüsterin

Sie heißt Luther und vertritt Thesen. Die vom therapeutischen Trommeln gegen die Demenz. So läutete Anja Luther (45) das neue Jahr mit einem Trommelfeuer ein.

Ihre vom Leben geprägten Gesichter sind gelöst und entspannt. Hier müssen die Senioren nichts auswendig präsentieren, keine kompletten Stücke lernen. Denn das Chorkonzert der Trommeln lebt einfach vom spontanen Spiel mit den Händen, den Schlägeln oder den Besen. „Kein Bewohner braucht irgendwelche musikalischen Vorkenntnisse oder ein ruhiges Händchen“, erklärt die gelernte Ergotherapeutin ihren Therapieansatz. Deshalb trommelt sie nicht etwas vor, sondern gibt lediglich den Takt an, flüstert. Das macht das 1,58 Meter kleine sportliche Energiebündel mit ganzem Körpereinsatz. Anja schnipst mit den Händen, bewegt sich rhythmisch, feuert an. Dabei entsteht eine Gruppendynamik, die am schönsten ist, wenn alle synchron trommeln. Die Sächsin achtet darauf, dass auch an Demenz erkrankte Bewohner durch das gemeinsame Spiel mitgenommen und von der Gruppe musikalisch getragen werden. Auf dem Höhepunkt der Stimmung wird zu einem eingespielten Musikstück getrommelt. „Der mitreißende Radetzkymarsch ist da so ein Klassiker“, erzählt Anja.

Sie weiß, dass freies Trommeln die Körperhaltung positiv beeinflusst, das Selbstbewusstsein stärkt und die Kommunikation fördert. Das theoretische Rüstzeug holte sich die Hobby-Gitarrenspielerin bei einer einjährigen berufsbegleitenden Zusatzqualifikation an der Berliner Landesmusikakademie. Schon während der Ausbildung hatte Anja die Idee, einen Trommelkreis im Bad Muskauer Pflegeheim zu gründen. Dafür schaffte sie strapazierfähige farbenfreudige Trommeln an, mit denen drinnen und draußen musiziert werden kann. Mehrmals im Monat organisiert sie nun das freie Spiel mit den Trommeln, das maximal eine Stunde dauert, um die Aufmerksamkeit der Senioren nicht überzustrapazieren.

Besonders beliebt ist der Samstag-Trommelnachmittag. Denn dann können auch Angehörige der Bewohner oder Freunde mitmachen. „Dabei passierten schon kleine Wunder“, erinnert sich Anja. „Nach dem Trommeln begannen durch Demenz verstummte Bewohner plötzlich wieder einige Worte mit ihren Lieben zu sprechen“. Das spornt die Therapeutin an. Genau wie der Satz „Da musste ich erst fast 100 Jahre alt werden, um trommeln zu lernen“, den eine Bewohnerin seufzte, als sie Anja dafür dankbar herzte. Solche emotionalen Augenblicke geben ihr Kraft bei der täglichen Arbeit in der Pflege.

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