Puppen und Spielzeug werden bei der Kofferreise wiederentdeckt.

 
01.10.2019

Der Spielzeugvogel beflügelt die Erinnerung

Bruchköbel. Ein bestimmter Duft, Geräusche, die wir kennen oder Musik, die mit Emotionen verbunden ist, gehen direkt ins Unterbewusstsein und können dort in der diesem leistungsfähigen Teil der Psyche äußerst gefühlvolle Reaktionen auslösen. Bei dem Projekt „Kofferreisende“ im Kursana Domizil Bruchköbel werden bei den Senioren Erinnerungen visuell, haptisch, olfaktorisch und akustisch wieder lebendig. Anfassen im Wortsinn begreifen und spüren – das geht einmal im Monat mit Puppen und Spielzeug von früher, das die ältere Generation gut kennt.

„So eine Puppe hatte ich auch, Elisabeth hieß sie, ich habe sie aber immer nur Liesel genannt“, sagt Ernestina M., die an diesem Nachmittag mit neun anderen Frauen und Männern in der Bibliothek im Wohnbereich Wasserkuppe rund um den großen Tisch sitzt und sich mit den ungewöhnlichen Dingen beschäftigt, die in einem Koffer stecken. 
Die Frauen greifen gern zu den Puppen, die Männer sind etwas zurückhaltend. Einer versucht, den Brummkreisel zu drehen, um das Geräusch seiner Kindheit wieder zu hören. Ein monotones Summen erfüllt den Raum, alle sind mucksmäuschenstill, die Reise in die Vergangenheit kann beginnen.
Die „Kofferreisenden“ dürfen sich auf Einladung des Hessischen Puppen- und Spielzeugmuseums in Hanau-Wilhelmsbad auf einen Ausflug in die Vergangenheit begeben. Der Koffer mit dem Spielzeug von damals wird Institutionen und Einrichtungen wie dem Kursana Domizil in der Bahnhofstraße, die auch Menschen mit Demenz betreuen, zur Verfügung gestellt.
Mit den Puppen und Spielsachen gelingt es, dass Anekdoten und Geschichten, die bei manchen Senioren 60 oder gar 80 Jahre zurückliegen, noch einmal ins Gedächtnis kommen und in der Runde der „Kofferreisenden“ erzählt werden. Dabei geht es oft sehr emotional zu, denn das Geräusch des Brummkreisels, die kleine Eisenbahn oder das Karussell, das sich dreht, wenn es aufgezogen wird, sind Schlüsselerlebnisse aus der Kindheit.
Dieses erlebt auch einer der Männer am Tisch, der in dem hüpfenden Blechvogel aus dem Koffer sein Spielzeug wiedererkennt, mit dem er sich als Sechsjähriger stundenlang beschäftigen konnte. Vögel haben es ihm auch später angetan. Er war Lehrer und beobachtete gern Vögel. Jetzt dreht er an dem Schlüssel, zieht das mechanische Federwerk auf und lässt den Vogel das Tierchen munter über den Tisch hüpfen, so wie früher, als er damit in der Wohnküche spielte, während seine Mutter auf dem Holzbrett Gemüse schnitt. 
Wenn sich die Senioren mit den Puppen und dem Spielzeug beschäftigen, strahlen ihre Augen, sie werden lebendig und mit Blick auf die Kindheit tauchen alte Bilder mit vielen Kleinigkeiten auf, die bisher verborgen blieben. Der Inhalt des Koffers gibt der älteren Generation Impulse für eine unvergessene Zeitreise.
 

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