Hannelore Ollrogge genießt den Tanz mit Demenzcoach Graziano Zampolin. Copyright: Kursana.

 
19.12.2014

Alte Schlager wecken Erinnerungen

Das Musikprojekt „Klang und Leben“ für Menschen mit Demenz begeisterte die Bewohner im Kursana Domizil Buchholz.

Gleich beim ersten Lied „Du hast Glück bei den Frauen, Bel Ami“ sprang der Funke über: Als Sänger Oliver Perau beim Konzert im Kursana Domizil Buchholz den Schlager aus den 1930er Jahren anstimmt, brauchen die Bewohner kein Textblatt, um mitzusingen. Auch nach Jahrzehnten sitzt bei den Senioren jede Zeile – und das, obwohl einige von ihnen mittlerweile dementiell erkrankt sind.

„Klang und Leben“ nannten Rockmusiker Rainer Schumann (Ex-Schlagzeuger bei „Fury in the Slaughterhouse“) und Demenzcoach Graziano Zampolin ihr gemeinsames Projekt, mit dem sie seit eineinhalb Jahren zusammen mit professionellen Musikern durch Senioreneinrichtungen touren. Über Schlager wie „Capri-Fischer“, „Kann denn Liebe Sünde sein?“ oder „Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett“ wecken sie die Erinnerung bei Menschen, die manchmal im Alltag ihre Sprache längst verloren haben. „Es ist immer wieder ein Wunder zu erleben, wie unsere Zuhörer durch die Musik aufblühen“, meint Rainer Schumann. „Jemand, der nicht mehr spricht, singt plötzlich ganze Strophen. Oder ein Mann, der vergessen hat, dass er einmal Gitarre gespielt hat, greift bei uns wieder zum Instrument. Solche Momente bewegen mich sehr.“

Über sechzig „Klang und Leben“-Konzerte haben die Musiker in diesem Jahr gegeben, 13 seit Bestehen des Projekts allein in Senioreneinrichtungen von Kursana. „Doch nirgendwo waren die Menschen so sangesfreudig wie hier in Buchholz“, freut sich Oliver Perau über die ausgelassene Stimmung. Direktorin Andrea Buro hatte neben Buchholz´ Bürgermeister Jan-Hendrik Röhse auch Ohnsorg-Mimin Ursula Hinrichs eingeladen, die für die Bewohner ein  plattdeutsches Weihnachtsgedicht vortrug. „Als Schauspielerin habe ich gelernt, Menschen zu beobachten und ihre Gesichter und die Körpersprache genau zu studieren“, sagt die 80jährige Buchholzerin. „Mich hat sehr beeindruckt, wie die Menschen im Laufe der Veranstaltung immer lebendiger geworden sind und wie sich die Freude der Musiker auf die Bewohner übertragen hat.“

Prof. Eckart Altenmüller von der Musikhochschule Hannover begleitet das Projekt seit der ersten Stunde und wird die Ergebnisse von „Klang und Leben“ wissenschaftlich auswerten. Ein Fernsehfilm, der am 29. März kommenden Jahres um 17.30 Uhr in der ARD ausgestrahlt wird, dokumentiert die nachhaltigen positiven Effekte des Projektes. „Jeder Mensch hat einen Soundtrack seines Lebens. Bestimmte Erlebnisse wie die erste Liebe oder schöne Reisen sind meist mit bestimmten Liedern verbunden“, erzählt Graziano Zampolin. „Wir haben schon viele positive Beispiele sammeln können, wie Musik die Gefühle weckt und die biografische Erinnerungsarbeit nachhaltig unterstützen kann.“ Im kommenden Jahr wollen die Macher von „Klang und Leben“ in Hannover eine Akademie gründen und ihre Erfahrungen an Menschen in sozialen und pflegerischen Berufen weitergeben.

Bewohnerin Hannelore Ollrogge (85), die zum Schlager „Sag mir quando, sag mir wann…“ sogar von Graziano Zampolin zum Tanz aufgefordert wurde, strahlt am Ende der Veranstaltung. „In den 50er Jahren bin ich mit meinem Mann viel zum Tanzen gegangen“, erinnert sie sich. „Der Krieg war endlich vorbei, das Leben hat wieder Spaß gemacht. Später kamen dann die Verpflichtungen durch Familie und Beruf, da blieb nicht mehr viel Zeit zum Tanzen. Es tut gut, an diese unbeschwerte Zeit erinnert zu werden.“ Zusammen mit den anderen Bewohnern und Gästen der Veranstaltung wird sie nicht müde, für die „Klang und Leben“-Musiker zu applaudieren. Und am Schluss singt Oliver Perau sogar als dritte Zugabe noch einmal „Bel Ami“.

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