23.03.2021

Briefe für ein Miteinander

„Stift und Papier“ heißt eine bundesweite Aktion, die Menschen in Zeiten von Kontaktbeschränkungen über das Briefeschreiben zusammenbringen möchte. Auch das Kursana Domizil Merseburg macht mit.

„Eine Kollegin!“, freut sich Anneliese Ahne, 86, als sie die ersten Zeilen liest. Die ehemalige Lehrerin und Bewohnerin der Merseburger Senioreneinrichtung betrachtet die geschwungene Handschrift auf dem mit floralen Motiven verzierten Papier. Passend dazu der Umschlag – wer hier schreibt, hat sich viel Mühe gegeben. Es ist eine Grundschullehrerin. Anneliese Ahne kennt sie nicht, noch nicht.

Ins Leben gerufen hat die Aktion „Stift und Papier“ eine Kölner Initiative, angeführt vom Geschäftsführer der Kölner Rennbahn Philipp Hein und dem Schauspieler Florian Wünsche. Das Ziel: Menschen verschiedener Generationen über Briefe miteinander in Kontakt bringen. Sie und ihr zehnköpfiges Team vermitteln Briefkontakte und möchten so insbesondere alten Menschen helfen, die nicht mehr oder nur begrenzt am öffentlichen Leben teilnehmen können. Eine Antwort auf eine weit herrschende soziale Vereinsamung, die sich durch die Pandemie noch verschärft hat. Zu den prominenten Unterstützern der Initiative zählen unter anderem die Moderatorin Christine Westermann, die Schauspielerin Jana Schölermann und die Fußballspieler Emre Can und Timo Horn. Über 30 000 Briefkontakte konnten innerhalb eines Jahres vermittelt werden, über 250 Einrichtungen nehmen teil.

Auf der Webseite www.stiftundpapier.org können sich Einzelpersonen und Einrichtungen registrieren. Für das Kursana Domizil Merseburg hat dies Direktorin Ina Thiele getan. Inzwischen sind die ersten Briefe eingetroffen. „Was? Fremde Leute schreiben Briefe?“, fragt Anneliese Ahne ungläubig. „Ja, es sind besondere Zeiten da draußen. Es ist doch immer schön, Kontakt zu anderen Menschen zu haben“, ermuntert sie die Betreuungsmitarbeiterin Antje Liebmann, 38. Schnell besorgt sie für die Bewohnerin Stift und Briefpapier. „Werte Kollegin“, fängt Anneliese Ahne ihre Antwort an die Grundschullehrerin an. Diese hatte im Brief von ihrem Berufsalltag erzählt. Auch Anneliese Ahne war Lehrerin, hat damals Deutsch und Russisch an einer weiterführenden Schule unterrichtet. Und schon sprudelt es aus ihr heraus. Sie schreibt von früher, aber auch von heute. Dass sie im Kursana lebe und sich dort wohlfühle, „weil sich das Team immer etwas Schönes einfallen lässt.“

Vor allem Frauen, viele Mütter, aber auch Studentinnen sind unter den Adressaten. Antje Liebmann ist von der Vielfalt und der menschlichen Wärme der ersten Einsendungen beeindruckt. Trotzdem reagierten nicht alle Senioren auf die überraschende Kontaktaufnahme durch Fremde mit spontaner Offenheit, manche seien auch erstmal zurückhaltend und scheu, meint sie. Auch motorisch hätten manche älteren Menschen mit dem Schreiben Schwierigkeiten. „Aber dann bin halt ich die helfende Hand“, sagt Antje Liebmann lachend. Sie ist überzeugt, dass das Briefeschreiben in der Einrichtung noch Schule machen wird. Der Beginn einer wunderbaren Brieffreundschaft? Der Brief von Anneliese Ahne geht noch am selben Tag in die Post.

Foto: Kursana

 

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