Das Steuer fest im Griff: Horst Pichottky freut sich über ein Fundstück auf dem Oststeinbeker Schrottplatz. Copyright: Kursana

 
27.10.2014

„Alles Schrott!“

Ein Ausflug zur Autoverwertung weckt bei den Bewohnern des Kursana Domizils Oststeinbek Erinnerungen.

Autoreifen sind zu Türmen gestapelt, Kotflügel verschiedener Farben und Fabrikate hängen aufgereiht über einen Metallzaun. Aus manchen ausgeschlachteten Autowracks wachsen schon Gräser und Blumen. Auf den Wegen zwischen all den Schrottfahrzeugen laufen sogar ein paar Hühner. Die „Autoverwertung Harry Kloss“ ist inmitten der Oststeinbeker Felder und Wiesen schon ein besonderer Fleck Erde. Für die fünf Bewohner des Kursana Domizils Oststeinbek, die mit dem Kleinbus im Schritttempo über das Gelände fahren, ist der außergewöhnliche Ausflug eine Gelegenheit, sich an längst verloren geglaubte Erlebnisse ihres Lebens zu erinnern.

„Ich hatte Autos in allen Farben“, erzählt  Hildegard Fick (87), die vom Beifahrersitz einen guten Überblick über den Schrottplatz hat. „Diese Marken habe ich alle schon gefahren. Das hat Spaß gemacht.“ Auf Nachfrage berichtet die alte Dame, dass sie einst mit ihrem Mann ein Autohaus in Hamburg-Wilhelmsburg betrieben hat. „Aber da sahen die Auto natürlich besser aus“, sagt sie und winkt fröhlich einem Mann zu, der gerade unter der aufgeklappten Motorhaube eines Fahrzeugs ein Ersatzteil ausbaut.

Per Zufall sind Ergotherapeutin Vanessa Meyer und Betreuungskraft Blandy Nöhrenberg vom Kursana Domizil vor einiger Zeit auf dem Weg zu einem Ausflug an der „Autoverwertung Harry Kloss“ vorbeigefahren. „Der Schrottplatz stieß gleich auf großes Interesse“, erzählt Vanessa Meyer. „Auch bei den dementiell erkrankten Bewohnern kamen gleich Erinnerungen ans Autofahren und damit verbundene Erlebnisse zurück.“ So entstand die Idee, einen Ausflug zum Oststeinbeker Autofriedhof in den Veranstaltungsplan der Senioreneinrichtung aufzunehmen, um ihn mit Erlaubnis des Betreibers genauer zu erkunden.


„Alles Schrott!“, kommentiert Christel Hamer (77) trocken durch das Fenster des Kursana-Busses. „Die Leute haben ja mitgenommen, was nicht niet- und nagelfest ist.“ Gemeinsam mit den anderen staunt sie über einen schrottreifen Oldtimer der Marke Volvo. „Ford Mustang war damals auch angesagt“, erinnert sie sich an früher. „Aber ich hatte einen VW. Der war gelb wie ein Postauto.“


Horst Pichottky (89) erstaunt die anderen Bewohner mit der Aussage, dass er als ehemaliger Bäcker nie den Führerschein gemacht hat. Wegen seines Augenleidens hatte seine Ehefrau das Autofahren übernommen. „Sie ist gern gefahren“, erinnert er sich. „Insgesamt war sie mehr als 500 000 Kilometer unterwegs, um unsere Brötchen auszufahren.“ Heutzutage ist Horst Pichottky hingegen der einzige in der Runde, der im Alltag motorisiert unterwegs ist. „Für mein Elektromobil brauche ich keinen Führerschein, es fährt nur sechs Kilometer die Stunde“, sagt er und schmunzelt. „Damit ist es schon der Porsche unter den elektrischen Rollis.“

Mittlerweile hält es Horst Pichottky und Walter Wiechowski (85) nicht mehr auf den Sitzen. Beide sehen sich in Begleitung von Vanessa Meyer ein ausgeschlachtetes Auto aus der Nähe an, Walter Wiechowski überzeugt sich davon, dass die Autotüren noch zu öffnen sind. „Das ist hier ja ein Schlaraffenland für Männer“, stellt Christel Hamer lächelnd fest. Derweil knabbern die Damen im Bus Kekse und erinnern sich gemeinsam an Volksfeste, wo sie rasante Fahrten im Autoscooter unternommen haben.

Auf dem Rückweg tauschen die Bewohner angeregt Ideen darüber aus, dass man alte Autoreifen prima als Kinderschaukel, Sandkiste oder Blumenbeet nutzen könne. Hildegard Fick stimmt ein Volkslied an. „Das war ein schöner Tag“, sagt die alte Dame und strahlt.

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