Herta Schneider (90, li) und Christa Heider (84) drücken wie früher die Schulbank. ©Kursana

 
08.10.2015

„Wir haben auch viel Blödsinn gemacht.“

Beim Besuch des Havighorster-Oststeinbeker Geschichtskreises im Kursana Domizil Oststeinbek schwelgen die Bewohner in Erinnerungen an ihre Schulzeit.

Eine historische Schulbank, ein abgewetzter Schulranzen mit Schiefertafel und Griffel und einige vergilbte Schreibhefte in Sütterlin-Schönschrift – die Bewohner vom Kursana Domizil Oststeinbek staunen nicht schlecht, als sie bei der Gesprächsrunde „Schule damals“ mit vielen Original-Gegenständen aus ihrem Schulalltag in den 1930er Jahren überrascht werden. Peter Hartmann (74) und Jürgen Westermann (75) vom Havighorster-Oststeinbeker-Geschichtskreis haben in der Senioreneinrichtung für die Generation 80plus die historischen Sammlerstücke aufgebaut. Mit ihren Fragen bringen sie schnell eine lebhafte Diskussion in Gang.

„Die Hände mussten immer artig vorn auf der Tischkante liegen, so dass der Daumen unter dem Tisch war“, demonstriert Bewohner Hans Vaitkevicus (86), der 1935 in die Hamburger Grundschule in der Bürgerweide eingeschult wurde. Dreißig Jungen waren in seiner Klasse, da in den Städten die Schulen damals meist nach Geschlecht und oftmals auch nach Konfession getrennt waren. „Wer nicht aufgepasst hat oder zu spät kam, musste in der Ecke stehen. Für das Schwatzen im Unterricht gab es Schläge mit dem Rohrstock“, erzählt er. „Dazu musste man sich über den Tisch legen und bekam vom Lehrer Schläge auf den Hintern.“

An Disziplin und Strenge in ihrer Schule erinnert sich auch Bewohnerin Herta Schneider (90), die 1931 in Breslau eingeschult wurde. „Der Lehrer wurde mit Knicks begrüßt, und wir mussten aufstehen, sobald er die Klasse betrat. Zuerst wurde ein Lied gesungen“, sagt sie und blättert begeistert durch ein zerschlissenes Gesangsbuch, das wie der Ranzen und ein Poesiealbum von 1930 durch die Reihen gereicht wird. „Dann wurde das ABC gelernt. Dabei war Schönschrift besonders wichtig.“ Alle Senioren haben als Erstklässler ihre ersten Buchstaben in verschnörkelter „Deutscher Schrift“ mit Griffel auf die Schiefertafel geschrieben, ein Schulheft und eine Schreibfeder gab es erst ab der zweiten Klasse. Ab 1941 verbannten die Nationalsozialisten die Deutsche Schrift als „Judenlettern“ aus den Schulen, einige Bewohner erinnern sich noch an die schwierige Umstellung auf die lateinische Schreibschrift.

Bewohnerin Inge Behm (92) hat auf der Insel Pellworm eine einklassige Grundschule besucht, in der alle Kinder in den ersten vier Jahren gemeinsam unterrichtet wurden. Sie erzählt, dass die einzige jüdische Mitschülerin die Schule 1937 verlassen musste. Hans Vaitkevicus berichtet davon, wie der Krieg den Schulalltag prägte: „Wenn es bis Mitternacht Bombenalarm gab, fielen nur die ersten beiden Stunden aus. Wenn es danach war, gab es am nächsten Tag schulfrei.“ Bewohnerin Christa Gronek (83), die seit 1940 eine Schule in der Nähe des Hamburger Hauptbahnhofes besuchte, erzählt, wie sie sich nach den Schularbeiten zum Lumpensammeln aufmachte. „Dafür gab es Pluspunkte in der Schule“, sagt sie.

Schöne Erinnerungen haben alle Bewohner an ihre Schulwege, die zu Fuß bewältigt wurden. „Die habe ich oft vertrödelt, weil ich in den Vorgärten Blumen gepflückt habe“, schmunzelt Herta Schneider. Auch zum Stichwort Streiche fällt den Bewohnern eine Menge ein. „Lehrer, die wir nicht leiden konnten, hatten es schwer“, gibt Herta Schneider zu. „Einer garstigen Handarbeitslehrerin haben wir sogar Reißzwecken auf das Pult gelegt. Ehrlich gesagt, wir haben auch viel Blödsinn gemacht.“

Am Ende der Stunde überwiegen die schönen Erinnerungen, die Augen vieler Bewohner leuchten. Einige unterhalten sich noch auf den Fluren weiter über ihre Erlebnisse aus der Schulzeit. „Das war eine sehr schöne Reise in die Vergangenheit“, bedankt sich Christa Gronek am Ende bei den ehrenamtlichen Mitarbeitern des Geschichtskreises. „Kommen Sie doch recht bald wieder.“

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