Kuno Karls (l.) und Bewohner Kurt Schönfeld freuen sich über ein Wiedersehen im Kursana Domizil Rastow. Der Maurermeister aus Hagenow hat in den 1980er Jahren eine Geschichte zu Kuno Karls Buch beigesteuert. © Kursana

 
17.07.2018

Lebendiges Erinnern

Wenn Stadtchronist Kuno Karls aus Hagenow im Kursana Domizil Rastow aus seinen Büchern vorliest, wird die Vergangenheit der Bewohner lebendig. Dann blühen auch demenziell Erkrankte wieder auf.

Für die Bewohner im Kursana Domizil Rastow sind die Besuche von Kuno Karls echte Sternstunden: Wenn der ehemalige Optikermeister aus Hagenow ihnen alle zwei Monate aus seinen plattdeutschen Erzählbänden „Fiek´n hät schräben ut Hagenow“ vorliest, wird für die Senioren ihre Vergangenheit wieder lebendig. Besonders Bewohner Kurt Schönfeld freut sich über die Wiedersehen mit Kuno Karls, der seit fast fünfzig Jahren in seiner Heimatstadt Alltagsanekdoten seiner Mitbürger aufschreibt und sammelt. Schließlich hat der ehemalige Maurermeister Anfang der 1980er Jahre selbst eine Geschichte zu Karls Chronik beigesteuert.

„Trotz seiner Demenzerkrankung scheint mich Kurt wiederzuerkennen. Wenn ich ihm sage, dass er früher ein tüchtiger Maurer gewesen ist, strahlt er übers ganze Gesicht“, erzählt Kuno Karls. „Beim Vorlesen seiner Geschichte schmunzelt er in sich hinein. Sie hat auch wirklich einen köstlichen Humor, der alle Zuhörer zum Lachen bringt.“ Kurt Schönfelds Anekdote handelt von einem Auftrag im Keller des Hagenower Stasi-Gebäudes, den er  zu DDR-Zeiten als Maurer auszuführen hatte. Bei dieser Arbeit wurde er von einem Stasi-Mitarbeiter bewacht. Als der ans Telefon gerufen wurde, ließ er seinen großen Hund im Keller zurück. Erst am Abend vermisste der Mann seinen Hund, der immer noch im Keller Wache hielt. Knurrend hatte der Vierbeiner den Handwerker davon abgehalten, nach getaner Arbeit den Raum zu verlassen.

Kurt Schönfeld gehört zu einer Handvoll heute noch lebender  Zeitzeugen, deren Geschichten aus dem Zeitraum von 1818 bis zur Wende mittlerweile zwölf Bände von „Fiek´n hät schräben ut Hagenow“ füllen. Insgesamt rund tausend Bürger aus Hagenow hat Kuno Karls im Laufe eines halben Jahrhunderts befragt. Die Episoden gelebter Zeitgeschichte hat der Stadtchronist bewusst genauso notiert, wie sie ihm berichtet worden sind. Die Lebendigkeit der Schilderungen reißt seine Zuhörer immer wieder mit.

„Die Senioren fühlen sich dadurch an eigene Erlebnisse in der Vergangenheit erinnert und beginnen nach der Lesung schnell, selbst zu erzählen“, hat Kuno Karls oft  erlebt. „Ich freue mich immer wieder daran, wie sie dabei aufblühen. Viele kommen nach der Veranstaltung noch zu mir, um mir die Hand zu schütteln und sich für den Besuch zu bedanken.“ Und noch einen anderen Aspekt weiß Kuno Karls an den Besuchen in der Senioreneinrichtung zu schätzen. „Es hält mich fit, dass ich zahlreiche Geschichten heute schon auswendig wiedergeben kann“, meint der 80-Jährige schmunzelnd. „Das ist ein gutes Training für meine graue Zellen.“

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