Dr. Ulrike Seidler-Vollmer mit Tochter Stefanie Leukel, von der ein Gemälde im Schlafzimmer ihres Appartements hängt. ©Kursana

 
26.10.2015

Ärztin mit Leib und Seele

Dr. Ulrike Seidler-Vollmer feierte am 23. Oktober in der Kursana Villa Reinbek ihren 100. Geburtstag.

Bis zu ihrem 80. Geburtstag hat Dr. Ulrike Seidler-Vollmer in Hamburg als Ärztin praktiziert. Und noch heute hört die alte Dame genau hin, wenn es einem Mitmenschen nicht gut geht. „Ist es eher körperlich oder seelisch?“, lautet die Frage, die sie ihrem Gegenüber dann als erstes stellt. „Ulla ist ein sehr einfühlsamer Mensch, der dem Seelischen genau nachspürt und seine Einschätzung wunderbar in Worte zu fassen versteht“, sagt Ordensschwester Myrta Stöckle (73) über ihre Freundin, die am Freitag in der Kursana Villa Reinbek ihren 100. Geburtstag feierte. „Außerdem hat sie sich einen wunderbaren Humor bewahrt.“ Und so bringt Dr. Seidler-Vollmer auch zum Ehrentag ihre Gedanken kurz und bündig auf den Punkt. „Am hohen Alter bin ich völlig unschuldig“, sagt sie. „Ehrlich, über solche Dinge denke ich überhaupt nicht nach.“

Schon früh war der gebürtigen Hamburgerin, die in Wentorf aufgewachsen ist, die Berufswahl klar. Durch eine chronische Erkrankung war ihre Mutter von früher Jugend an abwesend. „Mein Vater hat es kompensiert, er hat sich liebevoll um uns drei Geschwister gekümmert“, sagt die Seniorin. „Aber dadurch wollte ich Krankheit und ihre Auswirkung auf die Menschen verstehen lernen.“ Als Teenager kehrte sie mit der Familie nach Hamburg zurück, wo sie in den 1930er Jahren als eine von noch wenigen Frauen das  Medizinstudium begann. Ihren späteren Mann Helmut Seidler lernte sie im Studium in einer Pathologie-Stunde kennen. „Wir zogen uns beide zurück, als ein Frosch seziert werden sollte“, erinnert sie sich lächelnd. „Wir waren beide eher empfindsame Seelen.“

Während des Krieges leitete sie als Assistenzärztin mehrere Stationen im Universitätskrankenhaus Eppendorf. Nach Kriegsende, als ihre Tochter Stefanie gerade geboren war, eröffnete Dr. Ulrike Seidler-Vollmer im Haus der Familie in der Rothenbaumchaussee eine Praxis als praktische Ärztin. Nach der frühen Trennung von ihrem Mann zog sie die Tochter mit Unterstützung ihres Vaters und der Hausdame Isa, die ihr selbst Mutterersatz gewesen war, groß. Und sie engagierte sich mit Leidenschaft als Hausärztin für die Patienten. „Ich war eine sehr gewissenhafte Ärztin. Wer in meiner Obhut war, konnte sich darauf verlassen, dass ich in dringenden Fällen auch nachts zu Hausbesuchen kam“, sagt Dr. Seidler-Vollmer, die wegen eines Hörschadens nie den Führerschein gemacht hat und auch nachts bei ihren Einsätzen oft zu Fuß unterwegs war. „Aber wer ein Ziel hat, der kennt keine Angst“, sagt sie entschieden.

Tochter Stefanie Leukel (71) erinnert sich an innige Stunden, wenn Hausdame Isa Klavier spielte, sie dazu sang und ihre Mutter zum Hauskonzert die kassenärztlichen Abrechnungen machte. „Meine Mutter war sehr tolerant, sie hat mich zur Freiheit erzogen“, sagt sie. „Ich habe immer sehr zu schätzen gewusst, dass wir offen über alles miteinander sprechen können.“ Der Zusammenhalt in der Familie, ein diszipliniertes Leben mit regelmäßigen Mahlzeiten und Sport bis ins hohe Alter seien bis heute ihre Grundlage für Zufriedenheit und Wohlbefinden, erläutert Dr. Seidler-Vollmer. Schon als Kind hat sie im Wohltorfer „Tontaubenklub“ Hockey und Tennis gespielt. Während des Berufslebens ging sie regelmäßig schwimmen. Und heute lässt sie keine Indoor-Golfstunde in der Kursana Villa Reinbek, in der sie seit dreieinhalb Jahren lebt, ausfallen. „Dadurch habe ich mir einen sicheren Stand bewahrt“, sagt die Seniorin, die mit ihrem Rollator flotten Schrittes in der Senioreneinrichtung unterwegs ist.

„Hier fühle ich mich geborgen“, sagt Dr. Seidler-Vollmer, die täglich von Tochter Stefanie oder Schwester Myrta Besuch empfängt. Der 100. Geburtstag wird vormittags in der Villa mit einem Sektfrühstück begangen, am Nachmittag feiert Dr. Ulrike Seidler-Vollmer mit Enkeln und Urenkeln im Kreise der Familie. Am 80. Geburtstag, zum Ende ihres Berufslebens, hatte sie einen Empfang für ihre 50 treuesten Patienten gegeben. „Aber mit 100 Jahren wollen wir es ein wenig ruhiger angehen“, sagt die alte Dame schmunzelnd.

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