Nähe, die gut tut: Gitta Pöhls (69) besucht ihren demenziell erkrankten Ehemann Peter (74) täglich in der Kursana Villa Reinbek. ©Kursana

 
25.09.2018

„Das Herz wird nicht dement“

Gitta Pöhls aus Glinde steht ihrem schwer demenziell erkrankten Ehemann Peter engagiert und liebevoll zur Seite. Ihr offener Umgang mit der Erkrankung bewegt viele Menschen.

Das Tortenstück auf seinem Teller ist zerdrückt und wird Peter Pöhls mundgerecht mit der Kuchengabel angereicht. Auch den Kaffeebecher führt ihm seine Frau Gitta zum Mund. Allein kann der schwer an Parkinson-Demenz erkrankte 74-Jährige, der seit einem Jahr im beschützten Wohnbereich für demenziell Erkrankte der Kursana Villa Reinbek lebt, seit langem nicht mehr essen. Dass der  ehemalige Oberregierungsrat trotz seiner Einschränkungen bei der Mahlzeit so entspannt und würdevoll wirkt, liegt vor allem an seiner Ehefrau: Gitta Pöhls (69) meistert das Miteinander mit großer Selbstverständlichkeit und trotzt allen Widrigkeiten mit Humor. Im Umgang mit der Krankheit wirken die bunt geringelten Socken, die unter Peter Pöhls Hose hervorblitzen, wie ein Statement. „Natürlich verlangt die Erkrankung meines Mannes auch mir viel ab“, sagt sie. „Aber wir haben früh gemeinsam beschlossen, dass sie uns nicht die Lebensfreude rauben soll.“

Der ehemalige Abteilungsleiter der Hamburger Behörde für Arbeit, Jugend und Soziales erhielt die Parkinson-Diagnose, als er mit 63 Jahren in Altersteilzeit ging. Die Ärzte prognostizierten noch zehn gute Jahre, die das Paar ausgiebig nutzte: Gitta und Peter Pöhls unternahmen viele Reisen auf Kreuzfahrtschiffen, die eingeschränkten Passagieren  barrierefreie Kabinen und Extra-Service bieten. Das Haus bauten sie behindertengerecht um, so dass Peter Pöhls auch mit dem Rollator beweglich blieb. Die gemeinsamen Hobbys Tanzen und das Singen im Oldie-Chor übten sie aus, solange es möglich war. Als Peter Pöhls vor zwei Jahren durch die Demenz, die sich bei rund einem Drittel der Parkinson-Patienten entwickelt, stärker pflegebedürftig wurde, besuchte er zweimal wöchentlich ein Angebot der Tagespflege. Nach einem schweren Sturz 2017 kam er zur Kurzzeitpflege in die Kursana Villa Reinbek.

„Ich habe den Aufenthalt anfangs monatsweise verlängert, bis ich eingesehen habe, dass ich so eine qualifizierte Pflege und Betreuung zuhause gar nicht leisten kann“, sagt Gitta Pöhls, die ihren Mann täglich für mehrere Stunden besucht, bei den Mahlzeiten unterstützt und weiterhin viele Ausflüge mit ihm unternimmt. „Ich habe schnell die Scham verloren, mich mit meinem kranken Partner in der Öffentlichkeit zu zeigen“, erzählt sie. „Unterwegs bekomme ich nicht nur viel tatkräftige Unterstützung von fremden Menschen, sondern viele sprechen mir ihre Hochachtung dafür aus, dass ich mich so liebevoll um ihn kümmere. Dann kann ich nur sagen: Ich fühle mich meinem Mann nach 50 Ehejahren immer noch innig verbunden, denn das Herz wird nicht dement.“

Ihre freie Zeit nutzt Gitta Pöhls, um in Gesellschaft positiv gestimmter Menschen Kraft zu tanken: Sie singt weiterhin im Chor, besucht einen Englischkurs bei der Volkshochschule und bricht regelmäßig mit einer Fahrradgruppe zu gemeinsamen Touren auf. Dieses Netzwerk solle sie auch davor bewahren, später in ein tiefes Loch zu fallen, sagt sie. „Ich spüre, dass sich mein Mann immer mehr verabschiedet. Aber zum Glück gibt es immer noch schöne Momente, die ich genießen kann.“ Erst vor kurzem wollte Peter Pöhls beim Kursana-Tanztee unbedingt aus seinem Rollstuhl aufstehen, um sich zu einem Hit von Elvis ein bisschen zu bewegen. Und dann gab es diesen Moment am Fahrstuhl, als er seine Frau anschaute und ihr sagte: „Du bist die Liebe meines Lebens.“

Zur Übersicht