Ilka Hermann aus der Kursana Villa Reinbek ist für Mahmod Alzian eine wichtige Bezugsperson geworden. ©Kursana

 
08.10.2015

„Sie ist Teil meiner neuen Familie.“

Ilka Herrmann (75) aus der Kursana Villa Reinbek unterstützt den syrischen Flüchtling Mahmod Alzian (27) bei der Integration.

Als Ilka Herrmann (75) den syrischen Flüchtling Mahmod Alzian (27) bei einem Gesprächskreis in der Kursana Villa Reinbek kennenlernte, zögerte sie nicht lange: Die ehemalige Englischlehrerin, die seit eineinhalb Jahren in der Senioreneinrichtung lebt, bot dem jungen Mann umgehend an, ihm beim Erlernen der deutschen Sprache zu helfen. Seit Anfang Juni trifft sich die alte Dame zweimal wöchentlich für eine Stunde mit Mahmod Alzian und erfährt in einer Mischung aus „deutsch, englisch und notfalls Körpersprache“, was den syrischen Flüchtling bei der Integration in seiner neuen Heimat Reinbek umtreibt. „Als alter Mensch kann ich keine großen Räder drehen“, sagt Ilka Herrmann. „Aber ich kann Mahmod im Rahmen meiner Möglichkeiten helfen, wieder auf die Füße zu kommen. Und so wie ich ihn erlebe, beeindruckt er mich sehr.“

Mitte 2012 ist der junge Mann mit seiner Familie vor dem Bürgerkrieg aus der syrischen Hauptstadt Damaskus ins Nachbarland Libanon geflohen. Zwei Jahre Studium in Betriebswirtschaft und Personalmanagement lagen damals hinter ihm. „Eigentlich habe ich schon immer davon geträumt, in Deutschland zu studieren“, sagt Mahmod Alzian. „Ich komme aus einer weltoffenen Familie und fühlte mich immer schon vom westlichen Lebensstil angezogen. Da es im Libanon keine Perspektive für mich gab, habe ich alles daran gesetzt, nach Europa zu kommen.“

Zwei Jahre arbeitete Mahmod Alzian in mehreren Jobs, um Geld für seine Flucht zu sparen. 2014 wagte er zusammen mit anderen Flüchtlingen von Libyen aus die Fahrt übers Mittelmeer. Das Boot trieb drei Tage lang auf dem Meer, bis die Insassen von einem Tanker aufgenommen und gerettet wurden. „Ich wusste, dass die Überlebenschancen fifty-fifty stehen“, sagt er. „Aber es gab für mich keine Alternative, ich musste mein Leben selbst in die Hand nehmen.“

Vor acht Monaten ist Mahmod Alzian in die Flüchtlingsunterkunft am Krabbenkamp nach Reinbek gekommen, seit sechs Monaten nimmt er zweimal wöchentlich am Deutschunterricht teil. Mit ungeklärtem Bleiberecht darf er nicht arbeiten, doch Mahmod Alzian ist unermüdlich ehrenamtlich im Einsatz: Er engagiert sich  einmal wöchentlich in der Kleiderkammer, unterstützt das Betreiberteam vom „Filmring“-Programmkino und packt beim  internationalen Treff im Jugendcenter mit an. Und seit diesem Sommer ist er auch zweimal in der Woche in der Kursana Villa Reinbek aktiv, um die Bewohner der Senioreneinrichtung bei Freizeitaktivitäten zu unterstützen.  „Ich erwarte keine Hilfe“, sagt Mahmod Alzian entschieden. „Viel mehr möchte ich aus Freude darüber, dass ich hier sein darf, meine Hilfe anbieten.“

Mit Ilka Herrmann hat er bisher nicht nur über die traumatischen Erlebnisse seiner Flucht geredet. Mahmod Alzian bespricht mit der alten Dame auch, wie seine Zukunft aussehen könnte, wenn er in Deutschland Asyl bekommt: Kann er dann andere Flüchtlinge als Dolmetscher unterstützen, eine Ausbildung zum Altenpfleger machen oder vielleicht sogar eines Tages sein Studium fortsetzen? „Ich wünsche mir ein einfaches Leben“, sagt er. „Und sobald ich Geld verdienen darf, möchte ich meine Eltern im Libanon unterstützen. Sie haben durch den Krieg alles verloren.“

Ilka Herrmann weiß aus eigener Erfahrung, was ein Neuanfang als Kriegsflüchtling bedeutet: 1945 hat ihre Familie Haus und Grundbesitz in Mecklenburg verloren und in Schleswig-Holstein bei null anfangen müssen. Außerdem hat sie lange in Südafrika gelebt und kennt die Schwierigkeiten, in einem fremden Land heimisch zu werden. „Ich wünsche mir, dass sich mehr Leute auf die Flüchtlinge einlassen statt sich von Vorurteilen leiten zu lassen“, sagt sie. Ihr selbst habe das Tagebuch, dass Mahmod Alzian auf seiner dramatischen Flucht geführt hat, die Augen geöffnet. Am liebsten möchte sie es gemeinsam mit ihrem jungen Schützling ins Deutsche übersetzen und der Öffentlichkeit zugänglich machen. „Nach allem, was Mahmod erlebt hat, kann ich nur darüber staunen, wie positiv er ist“, meint Ilka Herrmann.

Tatsächlich geht Mahmod Alzian sein neues Leben in Deutschland rundum optimistisch an. „Ich bin glücklich“, sagt der junge Syrer und lächelt. „Ich bin dabei, mich hier gut einzuleben. Das liegt auch an Frau Herrmann, denn sie ist ein Teil meiner neuen Familie.“ Und wie es scheint, strahlt Mahmod Alzians Glück auch auf die alte Dame ab. Denn mit der neuen Aufgabe in ihrem Leben ist auch Ilka Herrmann aufgeblüht.

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