„Hörst du mich noch?“ Patricia Kästner (r.) erprobt mit Monique Pose den Kopfhörer, mit dem Schwerhörigkeit und Tinnitus-Geräusche simuliert werden. ©Kursana

 
03.05.2016

Zeitreise im Alterssimulator

In fünf Minuten fünfzig Jahre älter: In der Kursana Villa Reinbek versetzen sich die Mitarbeiter mit Hilfe des Alterssimulators mit allen Sinnen in die Welt ihrer Bewohner.

Schon das Anziehen ihrer lila Sportschuhe bringt Monique Pose zum Schnaufen: Die 28-Jährige kann sich kaum bücken, ihre Hände erreichen mit knapper Not die Füße. Beim Versuch, die Schnürsenkel zu binden, scheitert sie kläglich. Ihre Hände fühlen sich durch zwei Lagen von Handschuhen steif und ungelenk an. Und meist greift sie sowieso ins Leere, weil ihr eine gelb getönte, dicke Brille die Sicht nimmt. „Na, das geht ja gut los“, stöhnt die Auszubildende der Kursana Villa Reinbek, die für einen spannenden Selbstversuch in einen Alterssimulationsanzug geschlüpft ist. An diesem Nachmittag wird sich die angehende examinierte Altenpflegerin selbst einmal so fühlen wie die vielfach eingeschränkten alten Menschen, die sie tagtäglich in der Senioreneinrichtung betreut.

Für ihre Zeitreise in die Welt einer 80-Jährigen brauchte Monique Pose die tatkräftige Unterstützung ihrer Mutter Karin Pose (50), die im Haus die Soziale Betreuung leitet, und der stellvertretenden Pflegedienstleiterin Patricia Kästner (34). Beide Frauen legen ihr über dem knallroten Overall eine neun Kilo schwere Weste an, befestigen zusätzliche Gewichte an Händen und Füßen und schränken die Beweglichkeit der Gelenke und des Halses mit Manschetten ein. „Hilfe, ich bekomme Atemnot“, kichert die junge Frau, als die Weste eng über der Brust geschlossen wird. Doch als sie auch noch eine „Taucherbrille“, die die Sehschärfe reduziert und das Sichtfeld einschränkt, und ein Paar Kopfhörer, die Hochton-Schwerhörigkeit simulieren, aufgesetzt bekommt, vergeht ihr das Lachen. „Jetzt fühle ich mich wie beim Tauchen unter Wasser“, sagt sie und blinzelt verstört durch die gelb getönten Brillengläser.

Schon während der Ausbildung werden die jungen Mitarbeiter bei Kursana in Workshops darin geschult, sich in die Welt der Senioren hineinzuversetzen: Sie werden mit verbundenen Augen im Rollstuhl geschoben, mit einem Lift ins Bett gehoben und bekommen dort Essen angereicht. „Damals hatte ich auch schon diese Brille auf, mit der ich das Essen auf dem Löffel gar nicht erkennen konnte“, erinnert sich Monique Pose. „Durch solche Übungen prägt sich ein, dass man immer möglichst ruhig handelt und den Bewohnern immer erklären muss, was man gerade tut.“ Mit Hilfe des Alterssimulators, der jeder Einrichtung für einige Zeit zur Verfügung gestellt wird, bekommen alle Mitarbeiter die Gelegenheit, sich mit allen Sinnen in die Welt ihrer Bewohner zu begeben und sich selbst in vielen Alltagssituation als hochbetagter Mensch zu erleben. „Ich begreife erst jetzt, wie erfinderisch unsere Bewohner sind und wie gut sie sich trotz ihrer Einschränkungen zu helfen wissen“, sagt Monique Pose.

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