Siegfried Zicholl (78, l.) und Otto Milius (92) aus dem Kursana Domizil Stralendorf genießen es, beim Abschleifen einer Blumenbank wieder einmal handwerklich aktiv zu sein. ©Kursana

 
12.12.2018

Männer in ihrem Element

Immer mehr männliche Senioren ziehen ins Kursana Domizil Stralendorf ein. In ihrer „Männergruppe“ können sie auch einmal unter sich bleiben und geschlechtstypischen Beschäftigungen nachgehen.

Fachmännisch mustert Otto Milius (92) im Keller des Kursana Domizils Stralendorf eine Blumenbank, die zwei Sommer lang auf der Terrasse Wind und Wetter ausgesetzt war. „Die ist ja ganz schön mitgenommen“, meint der ehemalige Möbeltischler aus Schwaneberg bei Magdeburg, der seit vier Monaten in der Senioreneinrichtung lebt. „Da brauchen wir nicht nur Farbe für einen neuen Anstrich, sondern auch ein paar Winkel und Schrauben, damit sie uns nicht auseinanderfällt.“ Doch erst einmal bindet sich Otto Milius genauso wie sein Mitbewohner Siegfried Zicholl (78) eine Arbeitsschürze um. Die beiden Senioren, die zusammen mit vier weiteren Bewohnern den harten Kern der hausinternen „Männergruppe“ bilden, wollen sich heute um die wichtigen Vorarbeiten kümmern: das Abschleifen des Holzes und den Voranstrich. Für die beiden ist klar, dass es sich dabei um echte „Männerarbeit“ handelt.

Seit einem halben Jahr bieten Daniela Trampenau, Leiterin der sozialen Betreuung, und ihr Team den männlichen Bewohnern im „Haus am Park“ eine eigene Freizeitgruppe an. Ein-, zweimal im Monat bleiben die Männer dort unter sich, um handwerklichen Beschäftigungen nachzugehen oder sich in Ratespielen und Klönrunden geschlechtstypischen Themen zu widmen. „In den letzten Jahren ziehen immer mehr Männer in unser Haus ein, so dass ihr Anteil mittlerweile bei rund einem Drittel liegt. In den gemischten Gruppen geben aber weiterhin die Frauen den Ton an“, sagt Daniela Trampenau. „Die Kriegsgeneration ist mit ausgeprägten Rollenvorstellungen groß geworden: Die Frauen haben sich um den Haushalt und die Kinder gekümmert. Die Männer, die heute bei uns leben, haben sich dagegen vorwiegend über ihre soziale Position, insbesondere über den Beruf, definiert.“

Um die männlichen Senioren besser in ihrer Identität und ihrem Selbstwertgefühl stärken zu können, haben sich die Mitarbeiter der sozialen Betreuung in einem Qualitätszirkel dem Thema „geschlechtsspezifische Betreuungsangebote“ gewidmet. Besonders beliebt unter den neuen Freizeitangeboten ist das „Schätzkönig“-Ratespiel, das den Ehrgeiz der Männer anspricht und alte Fertigkeiten abruft. Wie lang ist ein zusammengerolltes Seil oder wie groß ein zusammengeknäultes Stück Packpapier, das auf dem Tisch liegt? Wie viele Nägel sind in einem Glas? Bei diesen Fragen wird eifrig gemessen, gerechnet und diskutiert. „Wenn viele Hähne auf dem Hof sind, geht es in solchen Runden auch mal hoch her“, berichtet Daniela Trampenau lachend.

Das Ratespiel geht an diesem Nachmittag ganz von selbst los, als die Leiterin der sozialen Betreuung nach dem Anschleifen der Bretter eine Dose Vorstreichfarbe auf die Blumenbank stellt. „Die reicht bestimmt für fünf Quadratmeter“, meint Siegfried Zicholl, der seit Kriegsende in Stralendorf lebt und viele Jobs vom Melker über Kranfahrer bis zum Heizer ausgeübt hat. Vor acht Jahren ist er ins Domizil eingezogen. „Ich tippe auf mindestens sieben, denn mit so einer Dose habe ich früher vier Stalltüren gestrichen“, kontert Otto Milius und geht aus dem Wettstreit als Sieger hervor. Auch wenn die Männer heute körperlich eingeschränkt sind, sitzen bei der vertrauten Arbeit alle Handgriffe. Beide Bewohner schwelgen beim Werkeln in Erinnerung an ihre Gärten, die sie früher bewirtschaftet haben.

Siegfried Zicholl, der auch in der Koch- und Backgruppe mitmacht und dort die schwereren Arbeiten wie das Teigkneten übernimmt, freut sich schon auf das Bepflanzen  der Töpfe für die Blumenbank im Frühjahr. „Dann  besorgen wir wieder Blumenerde und viele Kräuter, die wir später für Kräuterbutter benutzen“, erzählt er. „Es tut gut, etwas mit den Händen zu machen und ordentlich zu arbeiten.“ Sichtbar produktiv zu sein, stärkt nicht nur das Selbstbewusstsein. Ganz nebenbei werden so auch die motorischen Fähigkeiten der Senioren trainiert. Außerdem ist den Herren die Anerkennung ihrer Mitbewohnerinnen gewiss, wenn sie beispielsweise bei den Adventsbasteleien die gröberen Arbeiten wie das Zuschneiden der Zweige übernehmen.

„So, Männer! Jetzt ist Zeit zum Aufräumen“, ruft Daniela Trampenau, als die letzte Stufe der Bank den Anstrich bekommen hat. Siegfried Zicholl klopft den Deckel der Farbdose fest, Otto Milius achtet penibel darauf, dass die Pinsel in einem Glas mit ausreichend Wasser aufbewahrt werden. Beide strahlen, als sie sich nach getaner Arbeit die Hände mit einem Lappen abwischen und ihre Schürzen ablegen. „Heute haben wir uns unser Abendessen aber verdient“, sagt Otto Milius, als er wieder in seinem Rollstuhl Platz nimmt.

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