Lieder von Schubert, Mahler und Strauß singt Claudia Nachtsheim in der Kursana Villa Bonn.

 
27.04.2021

Sänger und Betreuerin aus vollem Herzen – Claudia Nachtsheim

Claudia Nachtsheim ist Mezzosopran-Sopranistin, Stimmbildnerin, Chorleiterin und vieles mehr. Seit einiger Zeit wirkt sie in der Kursana Villa Bonn mit viel Herz auch als Betreuerin.

Bonn. Noch wuselt Claudia Nachtsheim in Shirt und Jeans durch die erste Etage der Kursana Villa, hilft einer Bewohnerin mit Rollator, ihren Platz einzunehmen im Salon, schaut, ob eine andere genug zu trinken hat. Von Lampenfieber keine Spur bei der Sängerin, die seit einiger Zeit als Betreuerin in der Senioreneinrichtung in Bonn-Mehlem wirkt. Eher sind die Senioren und Seniorinnen aufgeregt – zum ersten Mal werden sie Claudia Nachtsheim nicht als Mitarbeiterin erleben, sondern als Mezzo-Sopranistin in einem Konzert. Auch die Kolleginnen sind sehr gespannt. Als die „Claudia“ in einem eleganten schwarze Abendkleid Foyer und Salon betritt, geht ein Raunen durch die Säle: die Präsenz der Künstlerin zieht alle sofort in ihren Bann. Noch schnell und selbstverständlich die Vorstellung mimen für die Fotografin, dann widmet sie sich ihrem Publikum und schafft umgehend jene Nähe, die sie auch als Betreuerin zu den Menschen aufbaut.

Für jeden verständlich erklärt sie die Lieder: Schuberts Kunstlied „An Sylvia“ hat einst Eduard von Bauernfeld nach William Shakespeare getextet.  „Jeden Reiz besiegt sie lang, den Erde kann gewähren: Kränze ihr und Saitenklang!“ lautet der pathetische Text über die schöne, zarte Sylvia, den Schubert als beschwingtes, leicht ironisierendes  Liebeslied komponiert hat. Mit ausdrucksvollem Mezzo-Sopran gleitet Claudia Nachtsheim durch die drei kurzen Strophen, dann folgt das Frühlingsahnen beim Frühlingslied „Die Luft ist blau“; die ersten Bewohner beginnen, sich im Takt des volksliedhaften Melodie zu wiegen, einfühlsam begleitet von Trung Sam am Flügel – ein harmonisches Duo. Mit Liedern von Gustav Mahler führt sie lustvoll singend in den grünen Wald, der Gesang der Nachtigall ertönt vom Klavier. Erste Bravo-Rufe für die ausdrucksstarken Vorträge über Liebe und Liebesleid. Romantik pur. Als Zugabe singt sie Richards Strauß‘ „Zueignung“, lässt das „habe Dank“ im vibrierenden Crescendo ertönen. Ein wunderbares Erlebnis – laute Bravorufe wie im Konzertsaal. Und die Bewohner wünschen sich, spätestens im Sommer ein weiteres Konzert folgen zu lassen.

Am nächsten Tag ist Claudia Nachtsheim wieder die „Claudia“ in Jeans und Shirt, führt am Morgen zum Auftauen den Fitness-Kurs durch, führt intensive Gespräche mit den Bewohnerinnen am Tisch in der Cafeteria und spielt mit ihnen das Ratespiel „Galgenmännchen“ oder singt mit ihnen zur Gitarre.

Ausgebildete Mezzo-Sopranistin und Betreuerin – wie passt das zusammen? „Ich bin eine Multifunktionskünstlerin – mein Schwerpunkt liegt auf der Stimme, ich singe auch Jazz und Chansons,“ erzählt die Bonnerin.  „Mein anderer Schwerpunkt ist die Arbeit mit Menschen am Singen, am gemeinsamen Singen, am gemeinsamem Atmen, am Wahrnehmen von anderen.“ Mit hohen Qualifikationen wirkt sie als Chorleiterin, Stimmtrainerin, Gesangslehrerin, gründete 1989 den „Brotfabrik Chor“ in Bonn-Beuel, hat unter Bill Mockridge jahrelang im Comedymusical „Weiber Weiber“ als Schauspielerin gewirkt und das „Sopranodrama“, ein Opern-Comedy-Programm in Meckenheim mitgestaltet. „Aber das geht im Moment alles nicht“, berichtet Claudia Nachtsheim. „Ich bin sehr froh, dass ich diese Arbeit hier angefangen habe. Es hat sich gezeigt, dass es schön ist, mit den Bewohnern zu arbeiten – ich bekomme viel zurück von der Freundlichkeit und Empathie, die ich hereinbringe.“ Sie habe nie gedacht, dass sie in diesem so sympathischen Seniorenheim wirklich glücklich bei der Arbeit, die sie in bescheidenem Rahmen auch nach der Krise weiter machen möchte.

Sie ist fasziniert vom Umgang mit den alten und auch den dementen Menschen: „Es ist ganz anders als mit den eigenen Eltern – man ist nicht das Kind, das erwartet, dass Vati und Mutti funktionieren und für einen da sind. Hier kann ich für jemand andren da sein und eine völlig neue Beziehung zu ihm schaffen.“ Und so strahlt sie voller Verständnis die Bewohnerin Claudia Brosch an, die gerade bekennt, sie sei glücklich, wenn sie Musik höre, vor allem von der „Claudia“.

Und mit dieser Aussage bestätigt sie die Sängerin, die bedauert, dass klassische Musik immer auf den Kultursockel gestellt wird: „Ich möchte diese Sockelsituation abflachen, um den Zugang zu ermöglichen.“ Nicht nur mit Einführungen vor dem Vortrag, sondern durch das Erleben: „Es ist etwas so Wunderbares, wenn der Flügel schwingt, wenn ich vibriere und der ganze Raum mitschwingt.“

 

 

 

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