José Valdes (43, l.) und Thomas Bartnicki (38) haben beim Praktikum im Kursana Domizil Billstedt erste Erfahrungen als Betreuungskraft in einer Senioreneinrichtung sammeln können. © Kursana

 
30.04.2018

„Eine Aufgabe, die Sinn macht“

Im Kursana Domizil Billstedt arbeiten wie auch in anderen Senioreneinrichtungen immer mehr Männer in der sozialen Betreuung.

Früher hat der in Chile geborene Entertainer José Valdes mit der Partyband „Hot Banditoz“ Erfolge gefeiert und ist auf einer Schlagertournee mit Hansi Hinterseer vor tausenden Zuschauern aufgetreten. Heute singt der 43-Jährige für eine Handvoll Bewohner in einem Gemeinschaftsraum vom Kursana Domizil Billstedt und bringt sie mit Zaubertricks zum Staunen. „Es ist für mich das Größte, wenn ich den alten Menschen eine Freude machen kann“, sagt der Musiker, der gerade im Rahmen seiner Ausbildung zur Betreuungskraft ein vierwöchiges Praktikum in der Senioreneinrichtung absolviert. „Bei dieser Arbeit kann ich echt sein und meine soziale Ader ausleben. Die Dankbarkeit der alten Menschen ist dabei für mich eine Kraftquelle, durch die ich meinen Akku immer neu aufladen kann.“

Mit seiner beruflichen Neuorientierung in der Lebensmitte in Richtung Pflege- und Gesundheitsbranche liegt José Valdes derzeit voll im Trend. Mit dem Pflegestärkungsgesetz von 2015 ist die Nachfrage nach Betreuungskräften in voll- und teilstationären Pflegeeinrichtungen drastisch gestiegen. Unter den Begleitern, die Senioren bei der Strukturierung des Alltags unterstützen, sie mit einer Vielzahl von Angeboten aktivieren und so ihre Fähigkeiten erhalten sollen, steigt der Anteil der Männer stetig an. „Die soziale Betreuung hat sich zu einem wichtigen Qualitätsmerkmal entwickelt, auf das Angehörige bei der Entscheidung für eine Pflegeeinrichtung immer größeren Wert legen“, erläutert Normen Niebuhr, Geschäftsführer von der „quatraCare Gesundheitsakademie“, dem größten Bildungsträger für das Gesundheitswesen im Raum Hamburg und Schleswig-Holstein. „Damit ist die gesellschaftliche Anerkennung gestiegen und das Berufsbild auch für Männer interessanter geworden.“  

Unter den 540 Absolventen, die die „quatraCare Gesundheitsakademie“ jährlich zur Betreuungskraft nach §§ 43b, 53c SGB XI ausbildet, sind mittlerweile 50 Prozent Männer, die allesamt aus branchenfremden Berufen vom KFZ-Mechaniker bis zum Kaufmann umschulen. Die Teilnehmer im Alter zwischen 35 und 55 Jahren werden immer jünger, und die Lehrkräfte der Akademie erleben sie bei der 16wöchigen Qualifizierung zuzüglich Praktikum als durchweg hoch motiviert. „Die Abbrecher-Quote liegt bei dieser Ausbildung unter einem Prozent“, sagt Normen Niebuhr. „Viele Teilnehmer sind daran interessiert, sich gesellschaftlich zu engagieren und wollen Gutes tun. Einige machen später sogar noch eine Ausbildung in der Pflege, weil ihnen die Branche unabhängig vom Alter gute Karrierechancen bietet.“

Gar nicht selten haben die Männer auch eine handfeste Lebenskrise etwa durch einen Burnout erlebt, die zum Umdenken und zur beruflichen Umorientierung führte. José Valdes hat sich nach einer schweren Krebserkrankung 2012 auf Sinnsuche in seinem Leben begeben. „Ich hatte früher zu viel Stress“, sagt er. „In der Musikbranche gibt es wenig Loyalität. Hier bekomme ich unabhängig vom Ruhm jeden Tag Anerkennung und habe eine Aufgabe, die Sinn macht.“ Informatiker Thomas Bartnicki (38) war einige Jahre mit einem EDV-Service selbständig und hat später beim Techniksupport eines Telefonunternehmens gearbeitet. Erst als er nach der Trennung von seiner Lebensgefährtin drei Monate in einer Obdachlosenunterkunft gelebt hat, wurde ihm klar, wie sehr ihm im technisch-analytischen Beruf das Menschliche fehlt. „Ich habe während meines Zivildienstes einen schwerbehinderten Senioren betreut und mich daran erinnert, dass sich diese Tätigkeit nie nach Arbeit angefühlt hat“, erzählt er lächelnd.

Während seines Praktikums im Kursana Domizil Billstedt hat Thomas Bartnicki bereits die Zeitungsrunde der Bewohner angeleitet, vorgelesen und mit den Senioren gemalt, gesungen und einen Apfelkuchen gebacken. Als männliche Bezugsperson ist er gefragt, wenn die Herren im Haus regelmäßig beim „Black Jack“ und Roulette zocken oder beim Männer-Stammtisch über Sport und Technik fachsimpeln. Seinen Vertrag für eine Halbtagsstelle in der sozialen Betreuung des Domizils hat er bereits in der Tasche. Außerdem plant Thomas Bartnicki, eine Ausbildung zum Heilpraktiker zu machen. „Ich werde zwar nicht mehr so viel Geld wie früher verdienen“, sagt er. „Aber heute mir ist wichtiger, dieses warme Gefühl im Herzen zu haben.“

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