Bis 2017 ist sie bereits für Lesungen aus ihrem Buch „Unter Tränen gelacht“ gebucht: Bettina Tietjen macht ihren Zuhörern Mut, sich der Herausforderung „Demenz“ zu stellen.©Kursana
Dass es bei einem ernsten Thema wie Demenz so viel zu lachen geben kann, hätten sich die über 200 Gäste von Bettina Tietjens Lesung im Theatersaal der Kursana Residenz Hamburg wohl nicht träumen lassen. Rund sechzig Bewohner der Senioreneinrichtung und viele Besucher freuten sich auf die 56-jährige Wahlhamburgerin, die seit 23 Jahren vom roten Sofa aus durch die „DAS!“-Sendung beim NDR führt. Als Bettina Tietjen dann auf einem roten Stuhl auf der Bühne des Theatersaals Platz nahm, sprang gleich der Funke zum Publikum über: Mit einer Mischung aus Lesung und persönlichen Anekdoten verstand es die Moderatorin, ihre Zuhörer unterhaltsam in die Welt der demenziell Erkrankten mitzunehmen.
„Viele Menschen meiner Generation haben noch nie ein Pflegeheim von innen gesehen“, sagte Bettina Tietjen und brachte gleich zu Beginn die Botschaft ihres Buches „Unter Tränen gelacht. Mein Vater, die Demenz und ich“ auf den Punkt. „Ich will Berührungsängste nehmen und Mut machen, sich rechtzeitig mit dem eigenen Alter auseinanderzusetzen.“ Zweieinhalb Jahre besuchte die Moderatorin ihren an Alzheimer erkrankten Vater fast täglich im beschützten Demenz-Wohnbereich einer Hamburger Senioreinrichtung. Sie erzählte von seinem Einzug ins Heim, von kuriosen Begegnungen mit Mitbewohnern und der neuen Freiheit im Umgang mit dem kranken Vater. „Nachdem wir als Familie die Last der körperlichen Pflege abgegeben hatten, hatte ich endlich die Zeit und Kraft, mit ihm die schönen Dinge zu genießen“, erzählte Bettina Tietjen. „Mein Vater wurde durch die Krankheit emotional zugänglich und offen wie sein ganzes Leben vorher nicht. Wir sind in seiner letzten Lebensphase eng zusammengerückt.“
Doch Bettina Tietjen machte auch keinen Hehl daraus, dass die Krankheit neben der heiteren auch eine dunkle Seite hat: Sie erinnerte sich an die ersten Veränderungen des Vaters, die bald nicht mehr als „Tüdeln“ abgetan werden konnten. Sie erzählte von der Ratlosigkeit angesichts der Diagnose und den Schwierigkeiten, ihm weiterhin ein Leben in den eigenen vier Wänden zu ermöglichen. Und sie berichtete von ihrer Scham, für den Vater Windeln kaufen zu müssen oder ihn immer hemmungsloser fluchend in der Öffentlichkeit zu erleben.
„All das waren Schlüsselerlebnisse, an denen ich gewachsen bin“, sagte Bettina Tietjen. „Mit der Zeit habe ich die Scham abgelegt, denn ich habe ja gesehen, dass es meinem Vater gut tat, sich nicht mehr vorschriftsmäßig zu benehmen. Ich habe mich sogar immer häufiger gefragt, wo ich selbst Zwänge ablegen kann, um mich freier zu fühlen. Damit möchte ich nicht warten, bis ich vielleicht selbst einmal an Demenz erkranke.“
Sie selbst habe durch ihre Erlebnisse nicht nur die Angst vor der Krankheit verloren, sagte sie. Sie möchte auch den Kontakt zu Pflegeeinrichtungen nicht mehr missen. Bevor sie sich ausgiebig Zeit für persönliche Gespräche und das Signieren der Bücher nahm, gab Bettina Tietjen ihrem Publikum noch eine Idee mit auf den Weg: „Ich habe im Heim gelernt, wie gut es tut, sich entspannt auf den Moment einzulassen – und sei er noch so verrückt. Spielen Sie doch auch einmal Memory mit aufgedeckten Karten…das macht ziemlich viel Spaß!“
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