In seinem Appartement der Kursana Residenz Hamburg bereitet Uwe Blöcker (89) die gefragten Plattdeutsch-Lesungen für seine Mitbewohner vor. ©Kursana

 
12.03.2020

„Plattdeutsch vor dem Vergessen bewahren“

Uwe Blöcker (89) erfreut seine Mitbewohner in der Kursana Residenz Hamburg mit regelmäßigen Lesungen in der Sprache ihrer Kindheit.

Wenn fast fünfzig Bewohnerinnen und Bewohner dicht gedrängt in der Bibliothek der Kursana Residenz Hamburg seinen Lesungen in plattdeutscher Sprache lauschen, ist Uwe Blöcker (89) in seinem Element. Besonders groß ist die Freude des Ehrenamtlichen, wenn sich auch einige Senioren zutrauen, sich in der Sprache ihrer Kindheit über die vorgetragenen Kurzgeschichten auszutauschen. „Meine Zuhörer verstehen alle plattdeutsch, doch für die meisten ist die Verbindung zur Sprache schon vor langer Zeit verloren gegangen“, sagt Uwe Blöcker. „Durch unsere Treffen werden sie angeregt, sich an frühere Erlebnisse zu erinnern. Und ich kann das Plattdeutsche vor dem Vergessen bewahren.“

Der Wahl-Hamburger ist selbst mit Plattdeutsch als „zweiter Muttersprache“ auf dem Gut Rathmannsdorf im Kreis Rendsburg-Eckernförde aufgewachsen. „Im Herrenhaus wurde innerhalb meiner Familie nur Hochdeutsch gesprochen. Doch sobald ich die Tür zum Hof geöffnet habe und mit den Kindern der Tagelöhner in Kontakt war, spielte sich mein Leben auf Plattdeutsch ab“, erinnert sich Uwe Blöcker. „Ich habe ohne nachzudenken die Sprachen gewechselt wie zwei Paar Schuhe. Erst auf der Oberschule und später bei der Kinderlandverschickung wurde nur noch Hochdeutsch gesprochen.“

Erst als Uwe Blöcker nach dem Krieg eine der raren Lehrstellen im Handwerk ergatterte, kam ihm als angehender Maurer auf dem Bau die plattdeutsche Sprache wieder zugute. Doch bei der anschließenden rasanten Karriere in einem Wohnungsunternehmen ging ihm die Sprache seiner Kindheit komplett verloren. Erst als er in den sechziger Jahren Rudolf Kinau für eine Weihnachtsfeier engagierte, erinnerte ihn der niederdeutsche Schriftsteller an seine Wurzeln. „Er wies mich darauf hin, dass es nicht darauf ankomme, ob man beim Sprechen Fehler macht. Hauptsache sei, das Plattdeutsche vorm Aussterben zu bewahren“, sagt Uwe Blöcker. Seither nutzte der langjährige Vorstand der Wohnungsgenossenschaft Langenfelde, der heutigen „Hamburger Wohnen eG“, jede Gelegenheit, in seiner Freizeit wieder Plattdeutsch zu sprechen.

Der Kursana Residenz Hamburg ist Uwe Blöcker seit einer überwundenen Krebserkrankung 2006 als Ehrenamtlicher verbunden. „Ich habe meine Heilung wie ein Wunder erlebt“, sagt der Vater von zwei Söhnen. „Von diesem Glück möchte ich anderen etwas abgeben.“ Seither betreut er einzelne Senioren im Haus und hat gelegentlich gesellige Runden auf Plattdeutsch angeboten. 2019 ist Uwe Blöcker selbst in ein Appartement der Residenz gezogen und wurde mittlerweile sogar von den Mitbewohnern als Vertreter in den Heimbeirat gewählt. Die Nachfrage nach seinen Plattdeutsch-Lesungen, in denen Uwe Blöcker unterhaltsame Texte von Rudolf Kinau, Gerd Spiekermann, Yared Dibaba, Ina Müller und anderen liest, wächst seither stetig. „So kann ich hier mein liebstes Hobby weiter pflegen“, freut sich Uwe Blöcker.

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