Digitalmentor Michael Gerull bespricht mit den Bewohnern Hildegard Dören und Dieter Schult aus der Kursana Residenz Hamburg den Umgang mit dem Laptop. ©Kursana
Dass digitale Technik der Generation 70 plus schlaflose Nächte bereiten kann, hat Michael Gerull (67) bei seiner wöchentlichen Sprechstunde in der Kursana Residenz Hamburg schon oft erlebt. Wenn Weihnachten mit guter Absicht in den Familien ältere Smartphone-Modelle an Senioren weitergegeben werden, sind diese vom Geschenk meist überfordert. „Mit einem Smartphone steigen Senioren ohne Vorerfahrung viel zu hoch ein. Zusätzlichen Stress bereitet es ihnen, wenn sie sich vor ihren Verwandten nicht die Blöße geben möchten, dass sie sich der Technik nicht gewachsen fühlen“, sagt der ausgebildete Digitalmentor, der die Bewohner der Senioreneinrichtung seit zwei Jahren ehrenamtlich bei allen Fragen rund um Smartphone, Computer und Internet begleitet.
In seiner Sprechstunde klärt der pensionierte Diplomingenieur mit den Senioren im Alter zwischen Mitte siebzig und hundert Jahren erst einmal ihren persönlichen Bedarf, ihre digitale Kompetenz und die Bereitschaft und Energie, sich mit der digitalen Technik auseinanderzusetzen. „Wer unterwegs nur telefonieren und die Möglichkeit haben möchte, einen Notruf abzusetzen, ist mit einem Mobiltelefon gut bedient“, sagt er. „Zusätzlich kann man damit auch Textnachrichten und Fotos per SMS verschicken.“ Bei Einschränkungen in Motorik und Sehfähigkeit rät er zu speziellen Senioren-Mobiltelefonen mit größeren Tasten oder bei Vorerfahrungen mit Computern zu Tablets.
Vorhandene Geräte sind oftmals mit ihren Menschen in die Jahre gekommen, doch gerade das Vertraute gibt Sicherheit. „Mein Laptop ist langsam, aber wir sind auf Augenhöhe“, meint Bewohner Dieter Schult (87) schmunzelnd. Er bedauert, dass er nie richtig an die Technik herangeführt wurde. Seit er den Coach wegen persönlicher, vertraulicher Probleme aufgesucht hat, kommt er regelmäßig mit seinen Fragen zu ihm in die Sprechstunde. Hildegard Dören (84) hat bereits ein Smartphone und möchte jetzt lernen, damit Nachrichten über einen Messengerdienst zu verschicken. Bisher ist sie an der kleinen Tastatur verzweifelt. Doch mit dem Eingabestift, den ihr Michael Gerull empfohlen hat, kommt sie beim Tippen gut zurecht. Jetzt händigt er ihr einen Übungsplan aus und rät, mit einer Mitbewohnerin das Verschicken von Nachrichten zu trainieren. So könne sie ihre Angst verlieren, bei der Handhabung Fehler zu machen.
In seiner Beratung begleitet Michael Gerull auch Senioren, die ihr Smartphone mit neuen Apps ausstatten möchten, um beispielsweise digitale Routenplaner zu nutzen oder Tickets für den Nahverkehr online zu kaufen. Oder er unterstützt sie am Computer dabei, Ausflüge und Reisen zu buchen. Außerdem bietet er eine Beratung zum Thema „Digitaler Nachlass“ an. „Die Bandbreite der Anliegen ist groß und so vielfältig wie die Persönlichkeiten“, sagt Michael Gerull, der in der Residenz gelegentlich Schnupper-Workshops zum digitalen Einstieg anbietet. Die individuelle Beratung findet immer in halbstündigen Einzelterminen statt, und die meisten Senioren begleitet er in vertrauensvoller Atmosphäre über einen längeren Zeitraum. „Die Technik soll den Senioren im Alltag hilfreich sein und keinen Stress verursachen. Deshalb ist die Begleitung auf menschlicher Ebene mindestens genauso wichtig wie die technische Unterstützung.“
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