Digitalmentor Michael Gerull bespricht mit Bewohnerin Edith Feldmann aus der Kursana Residenz Hamburg den Umgang mit dem Tablet. ©Kursana

 
01.05.2023

So werden Senioren fit fürs Internet

Digitalmentor Michael Gerull (65) schult die Bewohner der Kursana Residenz Hamburg ehrenamtlich an Smartphone und Computer.

Wenn Digitalmentor Michael Gerull einmal wöchentlich in die Kursana Residenz Hamburg in Niendorf kommt, ist seine Sprechstunde für alle Fragen rund um Smartphone, Computer und Internet stets ausgebucht. Bewohner im Alter zwischen Mitte achtzig und hundert Jahren nutzen das ehrenamtliche Angebot des pensionierten Diplomingenieurs, um über digitale Medien mit der Familie in Kontakt zu treten, online-Dienste zu nutzen oder im Internet zu recherchieren. „Es begeistert mich, wie viel Interesse und Unternehmungslust bei den Senioren vorhanden sind“, sagt der 65-Jährige, der viele Jahre in der Erwachsenenbildung tätig war. „Für mich ist es eine große Freude, wenn ich dazu beitragen kann, dass die Bewohner ihre selbstgesteckten Ziele erreichen können.“

Auf der Suche nach einem Ehrenamt entdeckte Michael Gerull im vergangenen Jahr das Angebot des Albertinen Hauses in Hamburg-Schnelsen, das technisch versierte Interessenten im Rahmen einer eintägigen Schulung zu ehrenamtlichen „Digitalmentoren“ für Senioren ausbildet. Das Projekt „digital dabei“ wird von der Behörde für Wissenschaft, Forschung, Gleichstellung und Bezirke gefördert und möchte die digitalen Kompetenzen und damit die Selbständigkeit und gesellschaftliche Teilhabe von älteren Menschen in Hamburg stärken. Seinen Einsatzort suchte sich Michael Gerull selbst in seiner direkten Nachbarschaft und bot für die Bewohner der Appartements in der Kursana Residenz von Anfang an ausschließlich Einzelschulungen an. „So kann ich auf individuelle Probleme und Fragen eingehen und den Menschen gleichzeitig einen Schutzraum bieten, damit sie angesichts ihrer Defizite keine Schamgefühle haben müssen“, erzählt er. „So entsteht ganz schnell ein Vertrauensverhältnis. Manchmal kommen auch erst einmal private Sorgen zur Sprache, bevor Raum für das digitale Anliegen ist.“

Dabei gibt es einen bunten Blumenstrauß an Themen: Manchmal begegnet ihm ein Bewohner mit gefestigter digitaler Kompetenz, der ein spezielles Problem wie eine fehlerhafte PIN-Anmeldung nicht allein lösen kann.  Viele möchten eine Einweisung in die Nutzung von E-Mails, WhatsApp, Online-Banking oder digitalen Routenplanern. Andere Male steht eine Systemaktualisierung an, bei der sich ein Bewohner Unterstützung wünscht. Und gar nicht so selten erklärt Michael Gerull auch die Nutzung eines digitalen Gerätes von der Pike auf. „Oftmals kommen Bewohnerinnen zu mir, bei denen sich bisher ausschließlich die Männer um die Technik gekümmert haben. Nach dem Tod des Partners ist das Smartphone oder das Tablet für diese Damen ein Buch mit sieben Siegeln“, sagt er. „Mich beeindruckt es sehr, mit welcher Zielstrebigkeit die Seniorinnen jetzt in den neuen Lebensabschnitt starten und sich dabei auch in völlig neue und unbequeme Themenfelder einarbeiten wollen. Das Leben muss ja weitergehen, sagen sie mir dann mit großer Entschlossenheit.“

Den Vertrauensvorschuss, den ihm die Senioren entgegenbringen und ihre große Dankbarkeit für die Hilfe empfindet Michael Gerull als Geschenk für sein ehrenamtliches Engagement. Des Weiteren profitiere er von den vielseitigen Begegnungen auch für sein persönliches Älterwerden, sagt er. „Ich erlebe bei diesen hochaltrigen Menschen keine dauerhafte Verzagtheit. Im Gegenteil: Sie packen ihr Leben mutig an und sind bereit, für ihre Selbständigkeit lebenslang zu lernen. Da ist viel mehr Licht als Schatten.“

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