Die Weisheit von zweimal über hundert Lebensjahren: Elly Friederich (li.) und Frieda Möller haben gelernt, den Augenblick zu genießen. Copyright: Kursana.

 
04.12.2014

Zufrieden über hundert Jahre alt

Rekord an über 100-Jährigen in der Kursana Residenz Hamburg.

Es fällt auf, dass die beiden alten Damen bei ihrem Treffen nicht über Krankheiten sprechen. „Wie geht es Ihnen?“, fragt Frieda Möller (101) ihre Mitbewohnerin in der Kursana Residenz Hamburg zur Begrüßung. Der Körper mache nicht mehr so mit, wie sie es gern hätte, antwortet Elly Friederich (103). „Aber das ist bei uns normal, nicht wahr?“, schließt Frieda Möller das Thema auch schon ab. Die Damen nicken und lächeln. Beide sind über hundert Jahre alt und wirken trotz sichtbarer Einschränkungen ausgeglichen und entspannt. „Diese Zufriedenheit bekommt man nicht geschenkt“, meint Elly Friederich. „Dafür muss man schon ein bisschen an sich arbeiten.“

Der deutschlandweite Trend als „Land des langen Lebens“ – in keinem europäischen Land liegt die durchschnittliche Lebenserwartung so hoch wie hier – spiegelt sich auch in den Senioreneinrichtungen. Ende August 2014 lebten bei Kursana, Deutschlands führenden privaten Anbieter für Seniorenpflege und –betreuung,  in den 95 deutschen Häusern fast 100 Bewohner, die das 100. Lebensjahr überschritten hatten. Laut Statistik liegen die Nordlichter unter den Hochbetagten vorn – und so hält auch die Residenz Hamburg mit fünf über hundertjährigen Damen den Rekord.

„Ich konnte es nicht fassen, als ich hundert Jahre alt wurde. Es war zum Lachen“, erinnert sich Frieda Möller. Die Hamburgerin ist 2001 in die Residenz gezogen und konnte bis vor drei Jahren noch viel unternehmen und reisen. „Die Kräfte werden weniger“, gibt sie zu. „Aber ich kann noch allein duschen, selbstständig einkaufen gehen und die Bankgeschäfte erledigen. Alles dauert etwas länger. Aber wen stört es, wenn ich morgens eine Stunde lang frühstücke…ich genieße eben.“

Elly Friederich lebt seit zwanzig Jahren in der Residenz, vor fünf Jahren ist sie vom Appartement in den Pflegebereich gezogen. „Ich habe mein Leben lang Yoga, Akupressur und Reiki gemacht. Anfangs habe ich mich hier einer Wandergruppe angeschlossen und viele kulturelle Veranstaltungen im Haus besucht“, erzählt sie. „Ich musste erst akzeptieren lernen, dass ich jetzt bei fast allem Hilfe brauche.“

Sie schätzt, dass sich die Pflegerinnen immer Zeit für ein nettes Wort nehmen und sie häufig mit einem Kakao verwöhnen. „Es sind Menschen aus unterschiedlichsten Kulturkreisen, die mir von ihrer Heimat in Japan oder dem Iran  erzählen – ist das nicht spannend?“, strahlt Elly Friederich. Immer schon sei sie neugierig auf Menschen gewesen und habe das Gute in ihnen gesehen. „Ich habe immer einen großen Bekanntenkreis gehabt und das Miteinander geschätzt“, sagt die gebürtige Boltenhagenerin, die auch in der Residenz neue Freundschaften schloss und in der Pflege häufig Besuch bekommt.

„Das Schlimmste am Alter ist, dass die Weggefährten alle wegsterben“, überlegt Frieda Möller, die selbst kinderlos ist. Beide Damen sind seit vielen Jahren Witwe, Elly Friederichs Sohn ist im Alter von 47 Jahren gestorben. „Vorbei…“, lächelt Frieda Möller und schwenkt ihre Hand sanft durch die Luft. Früher habe sie leidenschaftlich gern Klavier und Geige gespielt, aber das könne sie nicht mehr. Sie lese täglich ihre Tageszeitung und bekomme Besuch von einer ehemaligen Angestellten aus der Drogerie am Tibarg, die ihr Mann viele Jahre geführt hat.

Auch Elly Friederichs Herz schlägt für die Musik. „Ich schaue jeden Sonntag das Konzert im Fernsehen, beobachte genau den Dirigenten und freue mich, wenn mein Lieblingsinstrument, die Querflöte, zum Einsatz kommt. Daraus schöpfe ich Kraft“, strahlt sie. Heute könne sie nicht mehr lesen – aber alles Wichtige habe sie noch im Kopf präsent.

Die beiden Seniorinnen fühlen sich wie der Großteil der Hochbetagten in Deutschland heute wohl und zufrieden.  Die jüngste "Heidelberger Hundertjährigen-Studie" beschreibt als  Regeln für ein gesundes, entspanntes Altern: soziales Miteinander, Austausch mit anderen, Weitergeben des Wissens, Bedürfnis nach Selbstständigkeit und das Interesse für Neues. „Aber das Wichtigste für die Zufriedenheit  ist, dass man den Verlust von Fähigkeiten akzeptiert““, überlegt Elly Friederich, die in schweren Stunden Trost im Glauben findet. „Ich bin immer gut zu mir“, bringt es Frieda Möller auf den Punkt. Das bedeute auch, im Moment zu sein: Nicht groß an den nahenden Tod zu denken, aber auch allem Vergangenen nicht nachzutrauern. Wieder macht die alte Dame diese zarte Geste: „Vorbei…“ Und sieht dabei richtig zufrieden aus.

Zur Übersicht