Umgeben von ihren Porzellanpuppen hat Sammlerin Maude Thalmann in der Residenz ein Zuhause gefunden. Copyright: Kursana.

 
24.07.2015

„Die Sonntage gehörten dem Trödel.“

Maude Thalmann aus der Kursana Residenz Wedel sammelt seit einem halben Jahrhundert antike Porzellanpuppen.

Wer Maude Thalmann in der Kursana Residenz Wedel besucht, wird gleich im Flur von einem guten Dutzend antiker Porzellanpuppen empfangen: Herausgeputzt in eleganten Kleidern aus Brokat, Seide und Spitze sitzen die kleinen Kostbarkeiten auf mehreren Ebenen einer gläsernen Vitrine. Während einem die vierjährige Britisch Kurzhaar-Katze „Enya“ um die Beine streicht, kann die 86-jährige Bewohnerin der Seniorenresidenz zu jedem Sammlerstück eine Geschichte erzählen. „Mit ihr fing Anfang der sechziger Jahre alles an“, sagt Maude Thalmann und zeigt eine kleine Puppe im rosa Spitzenkleid. Sie ist über hundert Jahre alt, die kleinen Schuhe aus Porzellan sind angestoßen. „Ich habe sie auf dem berühmten Trödelmarkt El Rastro in Madrid entdeckt. Sie schielt ein bisschen und ist keine Schönheit, aber ihr verlorener Gesichtsausdruck ist mir zu Herzen gegangen.“

Die meisten Puppen sind Originale vom Ende des 19. Jahrhunderts. Einige sind Reproduktionen, die Maude Thalmann nach historischem Original selbst angefertigt hat. Die kunstvolle Kleidung hat sie restauriert oder nach alten Vorlagen selbst genäht. „Meine Sonntage gehörten dem Trödel“, sagt Maude Thalmann. Jahrzehntelang war sie auf Flohmärkten unterwegs, um die Kleidung ihrer Lieblinge mit Fundstücken aus Brokat und Brüsseler Spitze zu vervollkommnen. Stilecht bis zur Unterwäsche dokumentieren die Puppen den Sachverstand ihrer Besitzerin, die sich in Kunstgeschichte gut auskennt.

Geboren und aufgewachsen in Peru, studierte Maude Thalmann nach dem Zweiten Weltkrieg Kunst an der Akademie in Weimar. Ihr erster Mann war der Sohn des expressionistischen Malers Otto Müller. „Im Haus meiner Schwiegereltern drehte sich alles um Kunst, ich habe diese besondere Atmosphäre aufgesogen wie ein Schwamm“, erzählt Maude Thalmann. Sie übernahm einige Arbeiten als Buchillustratorin, musste sich jedoch nach der Trennung den Lebensunterhalt als Fremdsprachenkorrespondentin verdienen. In Madrid, der Heimat ihres Vaters, lernte sie ihren zweiten Mann kennen und lebte 30 Jahre in der spanischen Hauptstadt. Als die vier Töchter erwachsen waren, lernte sie zwei Jahre in Spanien und England, Porzellan zu restaurieren. 1985 kehrte Maude Thalmann nach Deutschland zurück, wo sie bis vor drei Jahren in Hamburg eine Werkstatt als Restauratorin betrieb.

„Es ist ein befriedigendes Gefühl, beschädigte Dinge wiedererstehen zu sehen“, sagt sie. Vom abgebrochenen Henkel einer Tasse bis zur Restaurierung kleiner Statuen reichte das Spektrum ihrer Arbeit. Viele Handgriffe wie das Gießen, Schleifen, Malen und  Glasieren kamen auch bei ihrem Hobby, dem Nachbilden von historischen Porzellanpuppen, zum Einsatz.

Einen Namen hat Maude Thalmann keiner ihrer Puppen gegeben. „So sentimental bin ich nicht. Aber ich nehme sie oft zur Hand und betrachte sie“, erzählt die alte Dame, die ihre Puppen auch schon in der Kursana Residenz ausgestellt hat. „Und dann stelle ich mir vor, welche Geschichten sie wohl erlebt haben könnten.“ Zu Antik- und Flohmärkten geht Maude Thalmann heute nur noch gelegentlich mit einer Freundin. Umgeben von Kunst, von ihren Puppen und allerlei Trödel fühlt sich die Kosmopolitin in ihrem kleinen Appartement geborgen. „Ich war in meinem Leben so viel unterwegs, dass ich mit dem Begriff Heimat nicht viel anfangen kann“, sagt Maude Thalmann und lächelt. „Aber in der Kunst habe ich ein Zuhause gefunden.“

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