In Gesprächen mit Pflegerin Lucienne M. Evers über Dino blüht Gerda Krull auf. Copyright: Kursana

 
13.04.2015

„Dino ist ihr größter Halt.“

Der kranke Hund einer Bewohnerin wird beim „Omihunde-Netzwerk“ betreut. Die Pflegerinnen in der Kursana Residenz Wedel halten für sein Frauchen den Kontakt.

An der Tür von Zimmer Nummer zehn hängt ein großes Foto, das einen zerzausten Terrier auf einem knallroten Sofa zeigt. In der Schnauze hat er sein Lieblingsspielzeug, ein Gummihuhn. Zielsicher steuert Gerda Krull (79) mit ihrem Rollator auf der Pflegestation der Kursana Residenz Wedel das Zimmer am Ende des Ganges an. „Der kleine Schelm“, sagt sie, zeigt auf das Foto ihres Hundes Dino und lacht. Wann immer die Sprache auf ihren langjährigen Wegbegleiter auf vier Pfoten kommt, geht es der dementiell erkrankten alten Dame gut: Dann kommen Erinnerungen zurück, sie findet im Gespräch mit Altenpflegerin Lucienne M. Evers (29) die richtigen Worte und sie strahlt vor Glück. In solchen Momenten ist es gar nicht wichtig, dass Dino heute 50 Kilometer von ihr entfernt lebt.

Dabei ist es alles andere als selbstverständlich, dass die Geschichte des 13jährigen Parson-Russell-Terriers und seinem Frauchen so gut ausgegangen ist. Ende 2014 lebte Gerda Krull mit Unterstützung eines ambulanten Pflegedienstes noch in ihrem Haus in Wedel, nach dem Tod ihres Mannes Anfang Dezember war Dino ihr ein und alles. „Der Hund  hat sie getröstet, er hat bei ihr geschlafen und ist nicht von ihrer Seite gewichen“, erzählt Sabine Palleske, die das Ehepaar Krull seit Frühjahr vorigen Jahres als rechtliche Betreuerin begleitet hat. „Schließlich konnte Frau Krull sich und Dino nicht mehr versorgen. Ich musste eine Lösung finden, wo ich beide unterbringen kann.“

Für ein eigenständiges Leben im Appartement, wie es in der Kursana Residenz für Bewohner samt Haustier angeboten wird, waren beide allerdings zu diesem Zeitpunkt zu krank: Gerda Krull kam zur Kurzzeitpflege auf die Pflegestation der Residenz, um dort wieder aufgepäppelt zu werden. Dinos Gesundheit war durch eine akute Bauchspeicheldrüsenentzündung schwer angeschlagen. „Zum Glück hatte ich vom Omihunde-Netzwerk in der Nähe von Glückstadt gehört“, sagt Sabine Palleske und übergab Dino Anfang des Jahres an Heike Thiel, die seit 2010 auf ihrem „Sonnenhof“ in der Blomeschen Wildnis in Not geratene betagte Hunde betreut. Seniorhunde, deren Halter sich nicht mehr um sie kümmern können, werden über den gemeinnützigen Verein in neue Familien vermittelt oder – wenn sie sehr alt und krank sind – in einem deutschlandweiten Netzwerk von Dauerpflegestellen bis zu ihrem Tod liebevoll begleitet. Die Kosten für die Dauerpflege werden über Spenden, Mitgliedsbeiträge und Patenschaften gedeckt.

„Dino stand durch die Trauer und die Trennung von seinem Frauchen unter starkem Stress. Als er herkam, hat er nur gezittert“, sagt Heike Thiel. „Mir war schnell klar, dass ich ihn hier auf dem Hof behalten möchte.“ Durch die tierärztliche Behandlung, Spezialfutter und den Kontakt zu Heike Thiels Hunderudel kämpfte sich Dino schnell aus der Krise. Auf Facebook dokumentiert Heike Thiel mit vielen Fotos die prächtige Entwicklung ihres neuen Schützlings.

„Wir haben vorsichtig ausprobiert, wie Frau Krull auf Neuigkeiten von ihrem Hund reagiert“, erzählt Pflegerin Lucienne M. Evers, die Frau Krull die neuesten Fotos auf dem Computer zeigt und von seinen Erlebnissen erzählt. „Dino ist ihr größter Halt. Wenn wir über ihn sprechen, öffnet sich Frau Krull und fasst Vertrauen.“ Zwar streichelt die alte Dame jetzt ihre beiden Stoffhunde, wenn sie den Dino-Geschichten lauscht. Aber in Erinnerung ist ihr Hund stets präsent. „Der Kleine“, sagt sie und lächelt. „Er tobt so gern, immer hat er etwas zum Spielen gefunden.“

Das kann Heike Thiel nur bestätigen. „Dino ist eine echte Witzknolle“, lacht Heike Thiel. „Er kennt längst keine Hemmungen mehr und untersucht auf dem Sonnenhof  selbstbewusst jeden Heuballen.“ Derzeit sieht es nicht so aus, als ob Dino in die Obhut von Gerda Krull zurückkehren könne. Doch Heike Thiel hat einen Besuch mit ihm in der Residenz in Aussicht gestellt. Und dank der engagierten Pflegerinnen und der immer neuen Abenteuer von Dino im Internet wird Frau Krull weiter an seinem Leben teilhaben können. Auch über 50 Kilometer.

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