Diese silbernen Mitbringsel spiegeln Helga Schmidt Erinnerungen an viele Reisen wider.

 
05.03.2019

Die silbernen Löffel vergolden Erinnerungen

Wiesbaden. Entfernte Städte wie Chicago, Celle und Capri liegen manchmal ganz dicht beieinander. Auch Frankfurt, Florenz und die Fraueninsel im Chiemsee sind Nachbarn. Ihre Anfangsbuchstaben machen sie zu einer geordneten Gemeinschaft. Bei Helga Schmidt, die in der Kursana Villa Wiesbaden zuhause ist, hat alles seine Ordnung. Ihre Souvenirlöffel hängen gut geputzt und fein sortiert in hölzernen Glasvitrinen. „Alles alphabetisch“, sagt die 87-Jährige, die seit 70 Jahren Souvenirlöffel sammelt und Exemplare von allen fünf Kontinenten und den entferntesten Teilen der Welt besitzt.

In neun flachen, rechteckigen Kästen sind die Andenken an Reisen und Orte rund um den Erdball parallel nebeneinander und gut sichtbar platziert. Damit man jedes Einzelne rund zehn Zentimeter lange Mitbringsel auch jederzeit findet, hat Helga Schmidt einen Belegungsplan mit Buchstaben und Rechtecken auf ein Blatt gezeichnet, der zeigt, an welcher Stelle der Wohnzimmerwand sich ein Kasten befindet. Auf dem Papier steht beispielsweise „C und D – Über der Truhe“, „R und S – Tür“ oder „U bis Z – Fenster“.

Dort hängen die Kästen, die ihr vor fünf Jahren verstorbener Mann – „er war Banker und Bastler“ – gezimmert hat und dort findet man genau 598 Souvenirlöffel. Helga Schmidt kennt zu vielen Löffeln eine Geschichte, weil sie das Souvenir oftmals von gemeinsamen Reisen mit ihrem Mann mitgebracht hat. Die anderen sind Geschenke von Bekannten, Freunden und der Familie. „Ganz viele hat mir mein Sohn mitgebracht“, sagt die Seniorin, die vor vier Monaten von Münster in Westfalen in die Nähe von Sohn und Schwiegertochter gezogen ist und sich in der Kursana Villa in der Mosbacher Straße wohlfühlt.

Aus Norwegen, aus der Antarktis, aus Mendocino, Bogota oder etwa Florida sind die Souvenirlöffel zu Helga Schmidt sozusagen als besondere Luftpost gekommen. „Mein Sohn war Pilot und ist viel in der Welt unterwegs gewesen.“ Der ehemalige Lufthanseat hat nach jeder Landung in weiter Ferne an die Sammelleidenschaft von Mutter und Vater in Münster gedacht und in Souvenirgeschäften oder auch in Tabakläden dieses ganz besondere versilberte Teil mit dem entsprechenden Städtenamen für die Eltern erworben. Sehr gerührt war die Mutter, als der Junior sogar bei seinem ersten Klassenausflug als Schüler sein ganzes Taschengeld einsetzte und der Mama einen Souvenirlöffel mit nach Hause brachte.

An zwei Löffel erinnert sich Helga Schmidt besonders gut. Auf der mondänen Insel Sylt gab es seinerzeit keine Souvenirläden. „Wir haben in einem Juweliergeschäft nachgefragt, denn von Sylt wollten wir unbedingt einen Löffel haben.“ Der Juwelier hatte einen vergoldeten Löffel. „Das war eines der teuersten Exemplare“, erinnert sich die Sammlerin. Unvergessen ist auch das Waterloo des Sammler-Ehepaares. Es geschah in Greetsiel, dem Städtchen an der Küste östlich von Aurich. „Mein Mann packte das Regenzeug aus dem Rucksack und legte die Schachtel mit dem gerade gekauften Souvenirlöffel auf eine Bank und vergaß, den Löffel wieder einzustecken. Als wir den Verlust später gemerkt haben, sind wir schnell zurück, doch der Löffel mit Wappen und Schriftzug war verschwunden.“

Wie alles anfing, weiß Helga Schmidt noch ganz genau. Ein paar Jahre nach Kriegsende, es war wohl 1949, besuchte sie Schloss Neuschwanstein und entdeckte einen wunderschönen Souvenirlöffel. Für sie ein Symbol aus besseren oder für bessere Zeiten. „Weil ich knapp bei Kasse war, gab ich in der Pension zwei Essensmarken zurück, bekam dafür Geld und konnte mir das Andenken kaufen. Ich war fasziniert davon“, schwärmt sie noch heute.

Wenn Sie in ihrem sonnendurchfluteten Apartment der Kursana Villa in einen der neun Glaskästen schaut, und die Sammlung im Licht strahlt, begibt sich Helga Schmidt gern auf eine Zeitreise. Die silbernen Löffel vergolden Erinnerungen. Ein Urlaub in Italien, Wandern in den Bergen oder eine Flugreise nach Amerika – die Löffel spiegeln das Sonnenlicht und schöne Momente wider. Die eingravierten Namen der Städte oder Länder trainieren das Gedächtnis und geben Impulse für längst vergangene Erlebnisse. Alte Geschichten werden neu erzählt.

Sollte Helga Schmidt einmal vergessen haben, wann und wo genau sie eines der Andenken gekauft hat, greift sie zu ihrem Tablet, wischt hier über den Bildschirm und drückt dort leicht auf das Glas, um im elektronischen Archiv der 598 Souvenirlöffel nachzuschauen. Hinter den alphabetisch gelisteten Städte- und Ländernamen hat die ehemalige Bankangestellte Ort und Zeit korrekt notiert: „Bayreuth / Oktober 1996“ oder „Bad Münster am Stein-Ebernburg / Juni 1997“. Die Sammlung kann noch weiter gehen, denn im PC ist endlos Platz und in den Schaukästen gibt es hier und da noch Lücken.

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