Bewohnerin Irmgard Trömel ist froh, dass Altenpflegerin Anett Dietel wieder im Kursana Domizil Zwickau arbeitet. Denn sie sind ein Herz und eine Seele. Foto: Thomas Gillmeister

 
14.06.2019

Therapie für die Seele

Altenpflegerin Anett Dietel kämpft sich nach Krebsdiagnose zurück in den Job

Ihr Herz schlägt für ältere Menschen. Seit zehn Jahren kümmert sich Anett Dietel (46) rührend um sie. Aber plötzlich braucht die Pflegerin nach der Diagnose Brustkrebs selbst Pflege. Die Zwickauerin entschied sich begleitend zur Schulmedizin für eine Extraportion Emotionen für ihre Senioren, die ihre kranke Seele mit heilen hilft.

 

Jetzt ist alles wie immer. Eigentlich. Anett Dietel pflegt im Kursana Domizil Zwickau ältere Menschen. Das macht sie schon immer mit viel Gefühl und Nähe. Dabei lässt sie sich nicht vom Takt der Uhr, sondern vom Moment der Mitmenschlichkeit leiten. Und doch ist nun etwas anders. Wenn Anett zu einem Bewohner, dem es gesundheitlich nicht so gut geht, den Stoßseufzer „Ich weiß, wie Du Dich fühlst“ sagt, hört der Feinsinnige etwas heraus. Die Altenpflegerin ist einmal durch die Hölle gegangen. Dabei hatte sich doch alles gerade so schön gefügt in ihrem Leben. Die gelernte Zwirnerin bekam nach zahlreichen Aushilfsjobs grünes Licht für eine Umschulung als Altenpflegerin. Aus heutiger Personalmangelsicht in der Pflege eigentlich ein Unding, dass Anett dafür einen jahrelangen zermürbenden Kampf mit dem Arbeitsamt führen musste. „Ich habe meine Mutter gepflegt und merkte dabei, dass mir die Arbeit wirklich liegt“, begründet die warmherzige Sächsin ihre Motivation, mit Anfang 40 den Job zu wählen.

Der begann gleich auf einer Demenzstation. Anett arbeitete dort jeweils vier Wochen, danach vier Wochen Schule, in der sie eher zu den älteren Semestern zählte (und furchtbare Prüfungsangst hatte). Nach drei Jahren hatte die Umschülerin den Abschluss als staatlich anerkannte Altenpflegerin in der Tasche. Endlich ein Beruf mit Sinn. Endlich zu einem Team gehören. Endlich angekommen sein im Leben. Anett im Glück.

Aber dann spürte sie in der linken Brust diesen verfluchten Knoten. Angst beschlich sie. Schon ihre Mutter erkrankte an Brustkrebs. „Ich beschönigte deshalb nichts und stellte mich gleich der Diagnose“, erinnert sich die Realistin. Nach der kräftezehrenden Chemotherapie („Ich dachte, ich muss sterben“) wurde die Altenpflegerin im vergangenen Jahr operiert. Danach 28 Bestrahlungen. In all der schweren Zeit konnte sie sich hundertprozentig auf ihren Mann Ronny und ihren Sohn Philipp verlassen. Und doch fehlte da etwas. In Gedanken war sie oft bei ihren Bewohnern im Pflegeheim, erkundigte sich nach ihnen, sehnte sich nach dem ganz normalen Alltag zurück. Der war auf einmal so weit weg. Anett spürte innerlich, dass er zu ihrer Heilung mit beitragen könnte.

Nachdem die Schulmediziner alles ausschöpft hatten, entschied sich die Altenpflegerin Anfang des Jahres zu einer einfachen Begleittherapie. „Obwohl die Ärzte Bauchschmerzen hatten, ging ich wieder zu meinen Senioren“, erzählt Anett. „Ich fing langsam an. Jetzt arbeite ich aber mit 40 Stunden im Zwei-Schicht-System sogar mehr als vor der Krankheit.“ Die hat sie hinter sich gelassen. Symptomfrei ist Anett und hofft, dass dies für immer so bleibt. Ihre Kollegen und ihre Schützlinge haben sie mit offenen Armen wieder aufgenommen. Auch Bewohnerin Irmgard Trömel (90) freute sich, endlich mit ihrer guten Seele mal wieder rumalbern zu können, Spaß zu haben, auch, wenn einem mal nicht zum Lachen zumute ist.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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