Jean van den Berg singt für die Bewohner der Kursana Villa Hannover Jazzlieder. Foto: I. Rodriguez

 
02.01.2019

Mit 104 reißt er das Publikum mit

Jazzmusiker Jean van der Berg tritt mit 104 Jahren noch in seiner Senioreneinrichtung, der Kursana Villa Hannover, auf.

Hannover. Der rüstige Senior ist sich treu geblieben: Auch mit inzwischen 104 Jahren sitzt Jean van den Berg perfekt gekleidet am Tisch. Noch schnell ein Stück Kuchen, dann nimmt er ein Mikrofon in die Hand und richtet sich auf. In der Kursana Villa Hannover wird sein Auftritt an den Weihnachtstagen mit Spannung erwartet. Auch Mitarbeiterin Wiebke Hansen zückt ihr Smartphone und richtet die Handykamera auf den ehemaligen Profimusiker. Der im Oktober 1914 in Rotterdam geborene Niederländer wohnt seit etwa drei Monaten in der vollstationären Pflegeeinrichtung. Die Seniorenvilla wurde 2010 in der 1912 erbauten früheren Oberpostdirektion eröffnet. Dass van den Berg dort als ältester der insgesamt 80 Bewohner mit zwei befreundeten Musikern einen Liveauftritt angekündigt hat, sorgt im Speisesaal für Aufsehen.

Doch schon nach den ersten Takten und Klängen wird klar: Der Holländer hat nichts verlernt. Lampenfieber? Davon ist bei dem ausgebildeten Profimusiker nichts zu spüren. „Fly to the Moon“, haucht er ins Mikrofon – ein Song, der 1964 durch eine Version von Frank Sinatra weltberühmt wurde.

Ganz so bekannt war der 104-Jährige zu seinen Profizeiten nicht. Auch seine Stimme klingt naturgemäß inzwischen etwas rauer. Doch von seinem Talent, ein Publikum zu begeistern, hat der rüstige Mann nichts eingebüßt. Es wird lange applaudiert, bevor sein Freund Jochen Steckler am Klavier das nächste Stück ankündigt. Steckler hat für den Auftritt in der Seniorenvilla den Gitarristen Matthias Salomon mitgebracht. Beide kennen van den Berg schon seit Jahren. „Wir haben ihn damals mit seinen etwa 80 Jahren quasi noch als jungen Mann kennengelernt“, sagt Steckler nach dem dritten Lied augenzwinkernd.

Doch bevor das Trio mit den Bewohnern über alte Musikerzeiten spricht, vergeht noch ein Moment. Van den Berg schnappt sich noch einmal unerwartet das Mikrofon und stimmt spontan mit ein, als ein für den Rest der Weihnachtsfeier engagierter Klavierspieler die ersten Takte eines Jazzstückes spielt. „Klasse, das ist ja wie eine spontane Musikersession“, sagt eine Bewohnerin und klatscht laut Beifall.

Lächelnd erzählt van den Berg anschließend mit seinem sympathischen niederländischen Dialekt von den guten alten Zeiten. Er sei in den Sechzigerjahren wegen der Liebe in Hannover hängen geblieben, sagt der 104-Jährige. Van den Berg ist Jazzgitarrist und -sänger. In den Sechzigerjahren lernte der Sohn einer Klavierlehrerin und eines Tischlers während eines Gastspiels mit seiner Tanzband in Hannover seine spätere Frau Hildegard kennen. Ihretwegen zog er in eine Wohnung in der Drostestraße in der List, hing das Musikerleben an den Nagel und wurde später Kundenfahrer beim Herrenausstatter Erdmann. „Sie wollte nicht, dass ich meinen Job als Musiker weitermache“, sagt er und zuckt mit den Schultern. Erst 2001 – nach dem Tod seiner Frau – habe es ihn wieder zur Musik gezogen. Beim Gitarrenbauer Thomas Stratmann lernte er dann nicht nur Christof Stein-Schneider, den Gitarristen der früheren Rockband Fury in the Slaughterhouse, kennen. Zu seinen Begleitern gehörte in den folgenden Jahren auch Sänger Oliver Perau von der Band Terry Hoax. „Bei Stratmann wurden wir auch mit van den Berg verkuppelt“, sagt Steckler und klopft dem 104-Jährigen freundschaftlich auf das Knie.

Es folgten Auftritte in Kneipen wie Irish Harp und in der Szenekneipe Böser Wolf in Linden. Dass es jetzt langsam etwas ruhiger um den 104-Jährigen geworden ist, scheint van den Berg nicht viel auszumachen. Er fühle sich sehr wohl in der Kursana Villa, sagt er und lächelt.

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