Stifter der neuen Nikolauskapelle: Bewohner Werner Gerstmeier legte viel Herzblut in die Neugestaltung der Kapelle, die er bei Glaskünstlerin Brigitte Schuster in Auftrag gab. Bild: Angelika Jakob

 
15.12.2020

„Tankstelle für Körper und Geist, für Herz und Seele“

Der Bewohner Werner Gerstmeier stiftet dem Kursana Domizil eine neue Nikolauskapelle. Mit viel Liebe zum Detail wurde sie monatelang aufwendig gestaltet und renoviert. Heute wurde sie von Stadtpfarrer Georg Leonhard Bühler eingeweiht.

Schrobenhausen. „Mein ganzes Leben spiegelt sich in der Kapelle wider“, beschreibt Werner Gerstmeier gerührt seine Gefühle, während sein Blick glücklich durch die neue Nikolauskapelle des Kursana Domizils Schrobenhausen schweift. „Das Auf und Ab, und wie es am Ende doch ein abgerundetes Leben ergibt.“ In diesen Tagen werden noch die letzten Einrichtungsgegenstände in die Kapelle gebracht, damit zur Einweihung mit Stadtpfarrer Georg Leonhard Bühler am 15. Dezember alles fertig ist. Als die Idee der Kapellenrenovierung vor vielen Monaten entstand, ahnte noch niemand der Beteiligten, wie umfangreich das Projekt und wie großartig das Ergebnis werden würde.

Im Kursana Domizil gab es schon in der Vergangenheit katholische Gottesdienste, in einem Raum im Erdgeschoss mit rosa Wänden, bunten Vorhängen und einer Sammlung an Gegenständen aus dem Nachlass ehemaliger Bewohner. „Es war fast wie eine Abstellkammer“, erinnert sich Werner Gerstmeier, der seit einigen Jahren hier zuhause ist. „Eines Morgens saß ich hier zum Meditieren und dachte: Da kann man schon etwas draus machen!“ Die ersten Ideen für eine Neugestaltung des Raums waren geboren. Nicht von ungefähr ist ihm die Kapelle so wichtig: Von frühester Kindheit an spielte der Glaube in seinem Leben ein große Rolle. Er studierte später Theologie und arbeitete 35 Jahre als Religionslehrer an einer Berufsschule im Südschwarzwald.

Zuerst suchte Gerstmeier das Gespräch mit der Direktorin des Kursana Domizils, Laura Kellerhoff. „Ich fand die Idee interessant, denn ich selber bin nicht religiös“, erinnert sie sich. Nach einigen Gesprächen konnte sie schließlich den Raum zur Verfügung stellen und Gerstmeier und der schließlich von ihm mit der Raumgestaltung und Glasarbeiten beauftragten Glaskünstlerin Brigitte Schuster weitestgehend freie Hand lassen. „Mir war nur wichtig, dass wir am Ende einen Raum für alle Bewohner, auch unterschiedlicher Religion, haben werden.“

Also machten sich der ehemalige Religionslehrer und die Glaskünstlerin ab Oktober 2019 ans Werk. Ideen wurden ausgetauscht, Modelle aus Pappe gebaut, Materialien ausgewählt und für jeden kleinen gestalterischen Aspekt die perfekte Lösung gesucht. „Herr Gerstmeier hat mir sehr viele Briefe geschrieben zu seinen Gedanken und Vorstellungen für die Kapelle“, erzählt Schuster lachend. Nach und nach entwickelten sie, wie die kleinen Details und das große Ganze aussehen sollten und gaben fast jedem Einrichtungsstück eine besondere Bedeutung.

Die neue Eingangstür, eine Flügeltür aus Glas, ziert zum Beispiel der Namensgeber des Kursana Domizils und der Kapelle, der Heilige Nikolaus. Hinzu kommen Sprüche aus der Bibel, Auszüge aus dem Glaubensbekenntnis und ein Zitat von Mahatma Ghandi, die auf einer Flügelseite von außen, auf der anderen von innen zu lesen sind.

Im Kapellenraum selbst ist ein buntes, verschiebbares Triptychon aus Glas der Blickfang. Ein bunter Regenbogen spannt sich über den zentralen, aus dem Wasser ragenden Lebensbaum, aus dem die sieben Tage der Schöpfung wachsen. Links daneben die Arche mit einer kleinen, weißen Friedenstaube. „Ich bin ganz verliebt in die Taube und wie sie leuchtet“, freut sich Gerstmeier. Die Arche selbst ist brüchig dargestellt: „Ein Symbol dafür, dass wir die Welt zerstört haben und die Schöpfung nicht mehr als Geschenk Gottes sehen“. Auf der anderen Seite sind ein paar Schmetterlinge zu sehen. „Das war mein Wunsch“, erzählt Gerstmeier. Sie stünden für die Leichtigkeit.

Fünfmal wurden die großen Scheiben von Brigitte Schuster in der Mayer’schen Hofkunstanstalt in München bemalt und gebrannt und schließlich zu Sicherheitsglas verarbeitet.

In der Mitte des Kapellenraumes steht ein Altar aus Zirbelholz, geschreinert von Hans Mahl aus Strobenried. Statt des sonst üblichen Altarsteins enthält er eine Glasplatte unter dem ein besonderer Brief Gerstmeiers eingelassen ist. Darin beschreibt er seine Gedanken zum Kapellenraum. Auf dem Altar steht ein kleines Kreuz aus Messing. Gespendet von der ortsansässigen Firma Bauer AG, die es nach den Entwürfen von Brigitte Schuster in der Lehrwerkstatt anfertigen ließ und in ein paar Wochen sogar noch vergolden lassen wird. Auch Geldspenden unterstützten die Kapellenrenovierung, zum Beispiel der Rathaus Apotheke Schrobenhausen.

Das absolute Lieblingsstück von Werner Gerstmeier steht allerdings hinter dem Altar. Ein großes Kreuz aus Messing, in dem vier aus Glas gegossene und geschliffen Einzelteile eingefasst sind. Dahinter rotes Antikglas. In der Mitte, dem Zentrum, ist eine Glasplatte aus dem Brennofen. „Das Kreuz verdeutlicht, dass das Leben von allen möglichen Dingen durchkreuzt, doch dann wieder umfangen wird“, erklärt er die Symbolik. Hier zeigt sich wieder wie Gerstmeier seinen persönlichen Lebensweg in der neuen Kapelle widergespiegelt sieht. Im Kriegsjahr 1942 in Donauwörth geboren, verbrachte er viele Jahre seiner Schulzeit in einem Internat in Dillingen. „Das war eine furchtbare Zeit, nur Druck und Knebelung“, erinnert er sich. „Schrecklich war das.“ Als er dann sein in Dillingen begonnenes Theologiestudium in Freiburg fortsetzte, sei er aufgeblüht. „Die Lebensart nahe der französischen Grenze war eine ganz andere“, lächelt er. Er lernte seine Frau kennen, heiratete und bekam mit ihr vier Kinder. Ein weiteres, großes Tief erlebte er, als seine Frau 2004 starb. Nach einigem Überlegen zog er nach Schrobenhausen ins Kursana Domizil, in die Nähe seiner Kinder, Geschwister und Enkelkinder. „Dabei ging mir im Leben der Glaube nie verloren“, sagt er. „Manchmal bin ich verzweifelt, ja, aber mehr am Äußeren als an den Menschen.“

Ein Zitat von Hans Magnus Enzensberger möchte er nicht unerwähnt lassen, weil es für ihn den Kern seines Engagements ausmacht: „Die Seele durch die Psyche zu ersetzen war keine gute Idee.“ Die Seele, das Lebendige, aber auch die Ruhe und das Innehalten sind Gerstmeier wichtig. Sein größter Wunsch ist, „dass sich die Menschen hier in die Kapelle setzen, ihre Trauer fließen lassen und ihre Freude fühlen können. Dass sie einfach nur als Mensch die Sinne spüren.“

Die ersten Reaktionen auf die neu gestaltete Kapelle sind ausgesprochen positiv. Die anderen Bewohner, die anfangs durchaus etwas skeptisch waren, kommen inzwischen begeistert und gerne in die Kapelle. „Sie sieht toll aus“, urteilt auch Direktorin Kellerhoff. „Es ist ein sehr schöner, gemütlicher Ort der Ruhe geworden.“ Über den Geldbetrag, die ihn sein Herzensprojekt gekostet hat, möchte Gerstmeier übrigens schweigen. Und stattdessen lieber die meditative Atmosphäre „seiner“ Kapelle mit allen Sinnen genießen.

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